Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
werden doch nicht glauben, dass ich mit einem Polizisten die medizinischen Details eines Falles diskutieren werde, der die Gerichte fünf Jahre beschäftigt hat? Glauben Sie allen Ernstes, Sie könnten hierher kommen und mit ein paar naiven Fragen so einen Fall klären?“
„Manchmal kommt ma’ dem Kern der Sache tatsächlich mit a paar naiven Fragen näher. Sie werden’s nicht glauben.“
„Wieso interessiert Sie diese Geschichte überhaupt? Die ist doch seit 15 Jahren abgeschlossen!“
„Lesen Sie keine Zeitung?“
„Wieso? Selbstverständlich lese ich Zeitung. Heute noch nicht, ich könnte mir aber eine kaufen, wenn Sie mir jetzt meinen Autoschlüssel wiedergeben würden ...“
„Wieso? Weil des die Frau Kauffmann war. Von der waren die Hände und Füße, die wir über Ostern gfundn ham. Annette Kauffmann ist umgebracht und zerstückelt worden, und wir suchen den Grund dafür.“
Hattinger hielt ihm den Autoschlüssel hin, aber Dr. Schanderl schien ihn gar nicht zu bemerken. Er sah plötzlich sehr bleich aus und krallte seine Hände in den Lodenmantel.
„Und jetzt wär’s gut, wenn Sie uns alle Unterlagen geben würden, die mit der Frau Kauffmann und ihrer Klinik zusammenhängen“, legte Hattinger nach.
„Dann besorgen Sie sich die, wo immer Sie wollen. Ich vernichte regelmäßig alle Akten, die über zehn Jahre alt sind. Das ist eine der letzten Freuden in meinem Leben.“
Hattinger ahnte, dass er zumindest in dem Punkt mal die ungeschminkte Wahrheit sagte.
„Und die junge Frau, die gstorbn is? Können S’ uns wenigstens den Namen sagen und woher die war?“
„Hab ich alles vergessen.“ Schanderl nahm seinen Autoschlüssel von der Mauer und steckte ihn ein.
„Wir kriegen’s auch so raus – verlassen Sie sich drauf. Und wenn dann noch Fragen offen sind, dann komm’ma wieder.“ Hattinger signalisierte den Kolleginnen, dass er aufbrechen wollte.
Andrea Erhard drehte sich im Gehen noch mal um: „Woher kommt eigentlich der Name: Klinik Dr. Martius?“
„Klingt einfach besser. Oder glauben Sie, dass man mit dem Namen Schanderl besonderes Vertrauen auslöst?“
26
„So ein Kotzbrocken!“, entfuhr es Andrea Erhard, kaum dass sie wieder ins Auto eingestiegen waren.
„Ja, der is scho sehr von sich überzeugt, der Herr Chefarzt.“
„Das scheint eine Berufskrankheit zu sein bei Chefärzten ...“, meinte PetraKörbel. „Ich denke, ich weiß, woher wir Unterlagen über den Fall bekommen könnten. Ärzte müssen doch eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, soviel ich weiß. Wenn es da einen Kunstfehlerprozess gab, dann waren die doch bestimmt daran beteiligt.“
„Scho wieder a gute Idee ... langsam wem S’ ma no unheimlich, Frau Kollegin. Vielleicht können Sie beide sich da gleich dahinterklemmen.“
Als sie wieder nach Prien hineinfuhren, überquerte ein paar Autos vor ihnen Mia Berger an der Fußgängerampel die Bernauer Straße. Hinter ihr trottete der Klampfenbertl her, einen Gitarren-Gigbag auf dem Rücken. Sie steuerten auf die Eisdiele zu, die nach der Winterpause seit Kurzem wieder geöffnet hatte.
Hattinger entdeckte die beiden sofort.
Petra Körbel kannte Mia vom Sehen: „Ist das nicht Ihre Freundin, da drüben?“
Hattinger tat, als sei er tief in Gedanken. Ein paar Sekunden später schien er wieder aufzutauchen.
„Entschuldigung, was ham S’ gsagt?“
„Nichts. War nicht so wichtig ...“ Sie ahnte, dass das gerade kein angesagtes Thema war.
Als sie die Priener Polizeistation betraten, wurde Hattinger schon erwartet: „Der Staatsanwalt is da drin, und der Bürgermeister und no a paar andere, Sie sollen gleich reingehen, hams gsagt“, informierte ihn ein Polizeibeamter.
Als er den Raum betrat, wurde ihm gleich klar, dass er sich jetzt einiges würde anhören müssen. Ein ganzer Stapel von aktuellen Tageszeitungen war zwischen den Herren ausgebreitet, die da um den runden Tisch saßen. Obenauf die Bildzeitung mit der Schlagzeile: Der Metzger vom Chiemsee – Schriftstellerin geköpft und zerstückelt! Daneben ein Foto, auf dem das ehemalige Austraghäusl von Rosa Angermeier wie ein düsteres Spukschloss aussah – Das Horrorhaus! Besonders perfide: Aus dem kleinen Foto auf dem Schutzumschlag von Annette Kauffmanns Roman hatten sie deren Kopf freigestellt und den Halsansatz unten ausgefranst, das Ganze vor einem schmutzigweißen Hintergrund, so dass es aussah wie ein Polizeifoto – Das Opfer!
Darunter, vermutlich als Aufmunterung gedacht bei
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