Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi
und kann seinen Schwager schützen, solange er will. Und natürlich nebenbei so richtig abkassieren. Und wenn das Ganze gut durchorganisiert ist, kommt denen so schnell keine Sau auf die Schliche. Und jetzt?«
»Jetzt bleibt’s erst recht dabei: Ihr verwanzt die Wohnung von dem Achs, und zwar morgen Vormittag, wenn’s geht. Und ich fahr zurück nach München und lass mir die Wirte-Akte noch mal vorlegen. Ist zwar nicht mein Fall, aber ich hab da so einen Riecher, wo uns das hinführen könnte. Jetzt ist mir auch klar, warum der Musona samt seiner Frau nach Niederbayern verschwunden ist. Aber warum noch nicht früher?«
»Ich glaube«, sagt der Stocker und schaut den Zuckerhahn über den Rand seines Bierglases an, »ich glaube, dass der alte Musona vielleicht schon viel eher die Flatter machen wollte. Aber so richtig Bammel hat der erst gekriegt, als das mit den zwei toten Wirten publik wurde. Davon hat der bestimmt als einer der Ersten gehört, wollen wir wetten? Abhauen, das ging für ihn aber nicht so einfach, weil er aus irgendeinem Grund ständig ein paar Mafiosi beschäftigen musste, denen daheim in bella Italia der Boden unter den Tretern zu heiß geworden ist. Das ist so ein Familien-Dings mit diesen Italienern, da kannst du nicht so einfach aussteigen. Die Mafia-Kellner, es waren ja immer so vier oder fünf Mann, die haben sich dann hier eine Nebenbeschäftigung gesucht. Und sind irgendwie an den Achs und seine Jungs gekommen. Für die haben sie die Drogen verteilt, die Drecksarbeit gemacht und ab und zu als Geldeintreiber gearbeitet. Mit nur einem Job kommst du ja heutzutage hier in Germania nicht mehr besonders weit. Wenn dann einer oder zwei von den Italienern wieder aus der Pizzeria verschwunden sind, warum auch immer, dann sind für die kurze Zeit drauf wieder neue gekommen. Direkt aus Italien. Und die sind nahtlos in das Geschäft eingestiegen, von ihren Kumpels hier im Schnellverfahren eingewiesen, so seh ich das. Das würde jetzt aber heißen, dass der Musona wahrscheinlich gar nichts oder nur sehr wenig gewusst hat von den Nebenjobs seiner sogenannten Kellner und Köche. Oder, andersrum, dass er es gewusst hat, und es war ihm schlicht und einfach egal, weil er die Jungs als eine Art persönlicher Leibwache gesehen hat. Blöderweise hat aber keiner von denen in der Pizzeria gewohnt. Das wollte die Frau vom Musona wahrscheinlich nicht. Also brauchte der Henker, der Assistent vom Perlmann, nur zu warten, bis die Jungs alle weg waren, und dann hat er zugeschlagen. Überprüf mal, wann das angefangen hat mit den italienischen Beschäftigten beim Musona. Der hat die bestimmt ordnungsgemäß angemeldet, auch da wette ich drauf. Und dann müsste man rauskriegen, wann der Musona beim Perlmann im Keller zum Zocken war, ungefähr, jedenfalls. Tja, und ob die beiden ertrunkenen Wirte auch da gespielt haben. Aber wie willst du das rausfinden?«
Applaus vom Zeno und vom Zuckerhahn in Richtung Stocker. Der verbeugt sich mit seinem Bierglas in der Hand und sagt: »Danke für die Applause, weil, nur zusammen sind wir mehr.«
»Ich weiß zwar nicht, was der jetzt für eine Sprache spricht, aber ich hab da schon so eine Idee«, sagt der Zuckerhahn und grinst. »Wisst ihr was? Jetzt fahr ich nach München und geh die Akten alle noch mal durch und sortier das Ganze neu. Klingt eigentlich ziemlich logisch. Da gab’s doch mal diesen Film, der hieß, warte mal … ›Der Club der toten Dichter‹. Genau, so hieß der. Und in dem Film hat ein Professor versucht, seinen Studenten beizubringen, dass man alle Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten muss. Weil die Dinge dann plötzlich ganz andere Perspektiven haben. Wisst ihr, wie der das gemacht hat, der Professor? Nein? Also, der ist mitten im Unterricht plötzlich auf einen Tisch gestiegen und hat zu seinen verdatterten Studenten gesagt: ›Jetzt seh ich euch aus einem ganz neuen Winkel. Und ihr mich auch. Und so geht man an Probleme ran. Man sieht sie sich aus verschiedenen Perspektiven an. Dann hat man vielleicht verschiedene Ansatzpunkte zur Lösung.‹ Versteht ihr, was ich meine?«
»Klar«, sagt Zeno, »das ist ein ganz normaler Lehrsatz, so wie der aus der Quantenmechanik. Da heißt es: Der Beobachter verändert durch seine bloße Anwesenheit die Wirklichkeit. Das musst du dir mal auf der Zunge zergehen lassen, das. Aber zurück zu deiner Aussage: Wenn du hier in unserer Küche auf einen Tisch steigen willst, dann hast du gleich ein echtes Problem
Weitere Kostenlose Bücher