Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi
verschwommen über den dunklen Chiemsee. Am Ende des Bootsstegs dümpelt eine Aquawatt Twin Carbon 848. Das ist eine der teuersten Elektro-Yachten. Und wer hat’s erfunden? Die Österreicher. Sieht schon nobel aus, der Kahn.
»Schau, die Kameras. Weiter hinten auch. Und mit Sicherheit haben die hier auch Lichtschranken oder Infrarot-Wärmemelder oder so was. Da kommt so schnell keiner rein, der nicht rein soll.« Anerkennend nickt Zeno und deutet nach vorne: »Jetzt sieh dir bloß das Haus an. Von so was träumt der Papst, sag ich dir. Und die Autos davor. Willst du deinen Mülltransporter nicht lieber draußen parken?«
»Beruhig dich wieder. Hier, nimm endlich das Geld. Du spielst, ich setz mich an die Bar oder was die da haben. Mal schauen, was abgeht.«
Über den knirschenden weißen Kies und dann über fünf Marmortreppen gehen die beiden zu einer torähnlichen, zweigeteilten Eingangstür, die sehr massiv aussieht und auf der linken Seite, auf Augenhöhe, eine kleine Klappe hat. Gasfackeln brennen auf beiden Seiten der Tür.
Die Klappe schwingt auf, und ein kantiges Männergesicht ist in dem kleinen Quadrat zu sehen und fragt: »Sie wünschen?«
»Kranich. Hier gibt’s Kranich, oder?«
Die Klappe schließt sich, und ein Torflügel gleitet auf. Der Mann hinter der Tür tritt zur Seite und macht eine einladende Bewegung mit der linken Hand. Die rechte hat er in der Sakkotasche seines schwarzen Smokings und hält einen Gegenstand, der durchaus ein Revolver sein könnte.
»Ich kenne Sie beide nicht, wer hat Ihnen gesagt, dass es hier Kranich gibt?«
»Alexej, mein Lieber, ich kenne die Herren, bitte sie doch rein. Kommen Sie, kommen Sie.«
Hinter dem dunkelhaarigen, blassen und sehr massiven Russen taucht eine Gestalt in einem weißen Anzug auf. Oh nein, denkt sich der Stocker, der schaut ja aus wie dieser unsägliche Millionär, der seine eigene Show auf RTL hat. Der mit der nervigen Frau, wie heißt der doch gleich wieder? Und wirklich, wenn man sich den Perlmann so ansieht: circa eins achtzig, mit gut und gerne zwanzig Kilo Übergewicht und blond gefärbten, zurückgegelten Haaren. Dann seine gelb getönte Pilotenbrille im bleichen Gesicht und sein Lächeln, das genauso falsch ist wie seine Zähne, da glaubt man schon, man ist im Fernsehen. Versteckte Kamera oder so. Die Zähne sind zu viele, zu groß und zu weiß, aber bestimmt scheißteuer, denkt sich der Stocker.
Aber da hat ihn Perlmann schon mit dem Arm um die Schulter genommen und sagt: »Sie müssen der Herr Stocker sein. Hab schon viel von Ihnen gehört und freue mich wirklich sehr, dass Sie endlich hierher zu uns gefunden haben. So eine Freude, also nein. Und Ihr Freund hier, das ist Ihr Partner, der Herr …?«
»Zeno.«
»Genau, Zeno, so heißen Sie. Waren Sie nicht früher mal auf der anderen Seite des Zaunes? Hüter des Gesetzes und so? Muss aber schön sein, wenn man schlussendlich entdeckt, wie man mit kreativem Denken und Unternehmergeist viel mehr Geld verdienen kann, nicht wahr? Kommen Sie, kommen Sie, immer herein. Wollen wir erst hier in der Halle einen Drink nehmen? Ja? Dann kann ich Ihnen kurz erzählen, was wir hier so alles tun, um uns das Leben schön zu machen.«
»Hier in der Halle«, das ist so, wie sich ein Japaner auf Droge Venedig vorstellt: viel Blattgold, Nippes, Glastische, Kristallleuchter, viel Marmor und Gips. Das alles auf ungefähr zweihundert Quadratmetern verteilt. Inklusive der Treppe aus dem Film »Vom Winde verweht«, die wahrscheinlich zu den Toiletten führt, die direkt vom Geiranger-Fjord durchgespült werden. Was bin ich froh, dass ich ein bisschen farbenblind bin, denkt sich der Stocker.
»Hier«, sagt Perlmann und zeigt auf eine Wassily-Sitzgruppe ganz in Weiß, »lassen Sie uns doch hier fürs Erste ein Glas Champagner nehmen. Alexej, machst du das bitte für uns?«
Der Russe knurrt vor sich hin und geht zu der in römischem Vor-Jesus-Kitsch gehaltenen Hausbar nebst Theke. An so was muss einst Josef, der Zimmermann, seine Maria rumgekriegt haben, denkt sich der Stocker, und an dem Resultat kauen wir heute noch. »So eine Hausbar hab ich schon mal gesehen«, sagt er zum Perlmann, »steht das Original nicht in Rom, im Vatikan?«
Perlmann sinkt in einen der Ledersessel, lacht und breitet die Arme aus wie ein Opernsänger: »Ja, Sie haben Humor. Ist das nicht schön? Endlich lerne ich Sie persönlich kennen, nachdem ich schon so viel von Ihnen und Ihrem Partner gehört habe. Neu ist mir, dass Sie
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