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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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schimmerndem Kupfer montiert. Der Boden des Raumes senkte sich zur Mitte hin leicht, sodass verschüttetes Wasser in einem Ausguss abfliessen konnte.
    Anna führte Lady Georgiana durch die Waschküche und dann die Hintertreppe hoch in die Büglerei: einer der Salons des alten Bircher, nun vollgestellt mit Wäschemangeln, neuen elektrischen Bügeleisen und Bügelbrettern. Die Wände entlang zogen sich Regalbretter, auf denen weisse Wäschestapel aufgereiht waren. Es duftete nach der im Splendid verwendeten Stärke, obwohl jetzt keine Lingères inmitten von Dampfwolken ihre Arbeit verrichteten.
    In den angrenzenden Zimmern wurde sämtliche Wäsche in einem genau durchdachten System gelagert; in den Wäschekammern des Splendid befand sich nur, was innerhalb einer Woche gebraucht wurde. Von hier aus verwaltete Madame Dubois die Wäsche, überwachte genau, wie viele Stücke ins Splendid gingen und wie viele wieder zurückkamen und ob alle Tischtücher, Naprons und Servietten der Table d’hôte auch so makellos rein waren, wie man es angesichts der hohen Preise wohl auch erwarten durfte. Und hier fand Anna, wonach sie suchte. Sie zog den schweren dunkelgrünen Samt aus einem Wandschrank hervor.
    Lady Georgiana flüsterte neben ihr: «Sind sie das?»
    «Ja, das sind die Nachtvorhänge der Kleinen Suite, die ich ersetzt habe.»
    Sie schleppten die schweren Stoffbahnen in die Büglerei, wo sie sie auf einem Tisch auseinanderfalteten. Annas Finger strichen suchend über den verschwenderisch breiten, mit Goldlitzen geschmückten Saum, der so schwer gearbeitet worden war, damit die Vorhänge schön fielen.
    «Hier», meinte sie aufgeregt, «hier ist etwas.» Sie griff zu ihrem Gürtel, von dem sie sich auch an diesem Tag nicht getrennt hatte. Sie holte Hennings Weihnachtsgeschenk hervor und begann mit dem kleinen Taschenmesser vorsichtig, die Naht aufzutrennen.
    «Man sieht überhaupt nicht, dass sich jemand an dem Vorhang zu schaffen gemacht hat», meinte Lady Georgiana und offenbarte überraschendes Handarbeitswissen. Als sie den kurzen Blick bemerkte, den Anna ihr zuwarf, grinste sie: «Ich wurde auf ein teures Pariser Pensionat geschickt und musste all das unerträgliche Nadelzeugs lernen. Nicht dass ich je eine so schöne Naht hinkriegen würde.»
    Anna trennte weiter Stich für Stich auf. «Frau Hatvany war vor ihrer Heirat Näherin.»
    «Du liebe Zeit, das wusste ich gar nicht.»
    Die Naht war endlich offen, und Anna fuhr mit der Hand in die Stofftasche. Sie holte ein kleines Notizbuch und mehrere Bündel zusammengefalteter Papierbögen hervor. Letztere waren mit Buchstaben- und Zahlenreihen und Schriftzeichen in einer Art Kurzschrift übersät.
    «Das ist sie also.» Lady Georgiana nahm eines der Bündel in die Hand, «die Chiffre, die es angeblich nicht gibt. Was steht in dem Notizbuch?»
    Anna klappte das Büchlein auf und las ein paar Zeilen. «Es ist ein Tagebuch, aber nicht das des Professors. Es scheint seiner Frau gehört zu haben.»
    Sie glaubte, Geräusche aus dem Erdgeschoss zu hören. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, von irgendjemandem hier entdeckt zu werden. Nicht jetzt, wo sie endlich in Händen hatten, was bereits so viel Leid verursacht hatte.
    «Wir sollten besser gehen», meinte sie und verstaute das Notizbuch in ihrer Handtasche.
    «Das sollten Sie wirklich, aber zuerst geben Sie mir diese Papiere!» Kapellmeister Mamonov tauchte atemlos im Türrahmen auf. «Meine Damen, ich habe keine Zeit und Sie auch nicht – geben Sie das her. Glauben Sie mir, das ist auch für Sie besser.»
    Er versuchte, Lady Georgiana das Bündel Papierbögen zu entreissen, und es fiel zu Boden. Geistesgegenwärtig griff sie nach dem Vorhang und warf ihn über den Mann, der ein Kopf kleiner als sie war. Er verhedderte sich beim Versuch, sich frei zu kämpfen, immer mehr in dem Kokon aus schwerem Samt. Lady Georgiana versetzte ihm einen geschickten Tritt gegen das Schienbein, und er krachte zu Boden. Sie leerte als Gnadenstoss einen grossen Korb Wäsche über ihm aus.
    Anna hatte inzwischen die verstreuten Papierbögen eingesammelt. Sie stiess das sich windende Bündel aus grünem Samt und Wäsche unsanft zur Seite, um sicherzugehen, dass kein Blatt vergessen ging, und blickte noch kurz unter den Tisch. Dann stand sie auf. «Schnell, wir müssen von hier fort.» Sie nahm Lady Georgianas Hand und lief mit ihr zur Hintertreppe.
    «Zum Teufel», keuchte Lady Georgiana. «In der Remise hatte ich dank Christians Ermahnung meine

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