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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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ich gerne. Es braucht Mut, dazu zu stehen.» Er holte ihre Liste der Dinge, die einen innehalten lassen, aus dem Buch hervor. «Das haben Sie aus Versehen Ammann gegeben.»
    Als sie das Blatt in die Hand nahm und die Worte sah, die für niemand als sie selbst bestimmt gewesen waren, wurde sie rot.
    «Ich möchte das gerne behalten. Geht das?», fragte Christian leise.
    Anna starrte auf den Zettel in ihrer Hand. Sie hatte die Tür wieder aufgestossen, doch dieses Mal verbarg sich mehr dahinter als nur der Ausblick auf ein anderes Leben. Sie fürchtete sich davor, diese nur geahnten Möglichkeiten zu benennen. Sie musste sich an dem festhalten, was sie kannte. Die Dachkammer und die Schachtel mit den Neujahrskarten, beides konnte sie hinter sich lassen, wenn sie Ja sagte. Aber war das genug?
    Christian beobachtete sie. Er hatte ihr nicht viel zu bieten ausser der Möglichkeit, ein Leben, das sie nicht sehr glücklich zu machen schien, hinter sich zu lassen. Ob er sich wünschte, ihr mehr bieten zu können, war nicht von Belang.
    Anna warf einen Blick auf seine Hände, die ruhig neben dem Buch auf der Decke lagen, und legte das Blatt in das Buch zurück.
    Es war kein guter Neujahrsmorgen für Herrn Bircher – doch was konnte man nach dem verrückten Silvester schon erwarten? Da war der rätselhafte Streich mit den Papierflugzeugen, in der Lingerie hatten irgendwelche Lausbuben aus dem Dorf ihr Unwesen getrieben und Madame Dubois einen ganzen Sud Naprons und Servietten verdorben, und dann noch ein weiterer Todesfall im Haus!
    Er hatte wirklich gehofft, nun würde das alles vorbei sein. Stattdessen musste er am Morgen als Erstes hören, dass seine Gouvernante, auf die er sich bis vor Kurzem immer so hatte verlassen können, die Nacht im Zimmer eines Gastes verbracht hatte. Und als er sie zur Rede stellen wollte, hatte sie ihm kühl erklärt, sie würde ihre Stellung auf Ende Monat aufgeben. Es sei denn, er wolle ihr unverzüglich kündigen. An diesem Punkt hätte er beinahe seine Contenance verloren und sie stante pede aus dem Haus geworfen. Nur ein diskretes Hüsteln von Herrn Ganz, der ebenfalls anwesend war, hatte ihn wieder zur Vernunft gebracht. Die Gouvernante zum Höhepunkt der Saison zu entlassen, wäre reine Narretei gewesen. Er hatte sie scharf verwarnt und ihre Kündigung auf den 31. angenommen.
    Und nun wollte auch noch Henning kündigen, der dazu doch nun wirklich keinen Grund hatte. Herr Ganz meinte nach diesem ebenfalls recht unerfreulichen Gespräch: «Nun ja – er musste dieselben Herrschaften, die ihn so zugerichtet haben, wieder bedienen.»
    «Was hätten wir denn sonst tun sollen? Ich kann kaiserliche Offiziere doch nicht aus dem Haus schmeissen, weil sie sich mit jemandem wie Henning einen groben Scherz erlaubt haben. Ich war immer grosszügig, was ihn und seinen Lebenswandel anbelangt, aber er kann wirklich nicht erwarten, dass ich die Reputation des Hauses für seinen verletzten Stolz aufs Spiel setze. Er soll sehen, ob er wieder eine Anstellung findet, wo man ihm so viel nachsieht.»
    Es klopfte kurz an der Tür, endlich kamen Kaffee und Croissants. Herr Bircher entliess seinen Concierge und überliess sich düsteren Ahnungen, welche weiteren Überraschungen das neue Jahr wohl noch bereithalten mochte.
    Herr Ganz kehrte an die Réception zurück und hoffte, dass Herr Bircher sich schnell von den Strapazen der Neujahrsfeier erholen würde. Er wusste, dass der Patron bis tief in die Nacht gefeiert hatte und nun an den Folgen litt. Er hatte deshalb nichts davon erwähnt, dass Henning bereits wieder engagiert war – dieses Mal als Valet. Und dass Lieutenant Wyndham seine Pläne geändert hatte und auf Ende Januar das Splendid verlassen würde, begleitet von Fräulein Staufer und Henning.
    Was Fräulein Staufer dazu bewogen hatte, als Sekretärin für den Gentleman zu arbeiten, würde in den kommenden Wochen noch für einigen Gesprächsstoff sorgen. Herr Ganz allerdings war darüber nicht unbedingt erstaunt. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass Fräulein Staufer in letzter Zeit ihre Pflichten zwar wie immer sorgfältig, aber zunehmend freudlos erledigt hatte. Mehr als einmal hatte er sie dabei beobachtet, wie sie tief versunken in ihr Notizbüchlein gestarrt hatte. Dabei hatte sie wohl kaum Arbeitslisten studiert. Und die Geschichte mit Fräulein Eberhardt hatte ihr sehr zugesetzt. Herr Ganz verlor nur ungern seine tüchtige Verbündete, aber es war wohl besser so.
    Henning hatte Herrn Ganz schlicht

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