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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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hätte. Hatte er vielleicht bei seinen Kameraden Eindruck schinden wollen? «War noch jemand in der Nähe, der das alles gesehen hat?»
    «Nein, wir waren ganz alleine.» Agnes malte mit ihren Fingern nervöse Muster auf die Tischplatte. «Wenn er nun sagt, ich hätte das grundlos getan, so gibt’s niemanden, der was anderes sagt.»
    Hatte der schneidige Oberleutnant einen jener Fehler begangen, von denen Lieutenant Wyndham gesprochen hatte? Allerdings würde Anna das nicht unbedingt einen kleinen Fehler nennen. Oder lag sie etwa ganz falsch, was den Oberleutnant betraf?
    «Fräulein Staufer?» Agnes’ ängstliche Stimme riss sie aus ihren Gedanken. «Bin ich jetzt in Schwierigkeiten?»
    «Nein, das bist du nicht – auf keinen Fall. Die nächsten Tage über bleibst du einfach immer bei Marie. Ich werde mit ihr reden.»
    Anna winkte Marie heran, die sich in der Tür zum Speisesaal leise mit Frau Lanz unterhalten hatte. Marie arbeitete bereits seit Längerem im Splendid, und Anna musste ihr nicht gross erklären, was sie zu tun hatte. «Ich pass schon auf sie auf, keine Angst, Fräulein Staufer. Ich lasse sie nicht mehr aus den Augen, bis dieser Herr Offizier abgereist ist.»
    Anna wollte sich nicht nur auf Marie verlassen, an der Réception sprach sie auch noch mit Herrn Ganz, der dazu nur meinte: «Sieh einer an, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich werde ein Auge auf den Herrn haben, wenn die Mädchen in der Nähe sind. Zum Glück ist er ja meist ausser Haus beim Sport.»
    Ratlos machte sich Anna daran, ihren nachmittäglichen Kontrollgang abzuschliessen. Das Verhalten von Oberleutnant Ranke verwirrte sie. Und sie war sich nicht sicher, ob sie ihn deshalb auf ihre Liste setzen sollte. Es wäre sehr peinlich, Lieutenant Wyndham die Gründe dafür genauer erklären zu müssen.
    Sie warf einen kurzen Blick in die Bar, aber Henning war nicht dort. Charles sagte ihr, er sei mit den Herren Offizieren auf Tour gewesen und habe sich jetzt noch etwas hingelegt.
    Hatte sie sich vielleicht doch komplett getäuscht, was den Oberleutnant anbetraf? Oder war er grundsätzlich kein Kostverächter? Das sollte es ja auch geben. Dann hätte die ganze Angelegenheit nicht mehr zu bedeuten, als dass er keine Selbstbeherrschung hatte. Kein schöner Charakterzug, aber es machte ihn nicht zu einem Agenten des Kaiserreiches. Doch selbst wenn er das wäre, was sollte er dann von Henning wollen? Henning war im Sommer nicht im Splendid gewesen, noch hatte er mit der Suite oder den Hatvanys je viel zu tun gehabt.
    Anna ging in den Lesesalon, um zu prüfen, dass in all der Aufregung der Papierkorb nicht vergessen gegangen war. Die schwedischen Ingenieure sassen wie üblich über ihre Pläne gebeugt. Marie musste sich um den Papierkorb gekümmert haben, denn er stand an seinem Platz, und die beiden Herren hatten ihn schon wieder in Gebrauch genommen. Sie nahmen keine Notiz von Anna, die ihnen das Licht anmachte und sie ihren Studien überliess.
    Im Vestibül fand Anna Herrn Ganz ins Gespräch mit dem Musiker vertieft, der am Vortag seine Violine so ängstlich gehütet hatte. Bei Annas Anblick liess der Mann Herrn Ganz stehen und eilte auf sie zu.
    «Gestatten, Bedrich Hrdlicka.» Er verbeugte sich leicht. «Bin ich die erste Geige. Wertes Fräulein Gouvernante, können Sie mir zeigen den Konzertsaal, bitte?»
    Inzwischen war Herr Ganz dazugetreten, seine Mundwinkel zuckten verdächtig, aber er wahrte Contenance. «Wie ich schon sagte, Herr Hrdlicka, Fräulein Staufer kann Ihnen bestimmt zur Hand gehen.» Und zu Anna gewandt fuhr er fort: «Herr Bircher findet, dass das Orchester heute schon sein erstes Konzert geben soll. Herr Hrdlicka wurde vom Kapellmeister angewiesen, den Ballsaal vorzubereiten.»
    Weder der Patron noch Herr Ganz schienen eine Ahnung davon zu haben, wie viel Arbeit das bedeutete. Anna liess sich nichts anmerken. «Selbstverständlich, folgen Sie mir bitte, Herr Hrdlicka.»
    Sie führte den Musiker zum Ballsaal, in dem die Weihnachtsfeier für die Gäste abgehalten worden war. Zu Herrn Hrdlickas Entsetzen standen auf der Bühne noch Weihnachtsbäume, und das Klavier war völlig falsch platziert, und das Orchester brauchte auch noch andere Stühle als die im Raum vorhandenen Exemplare.
    Anna schickte nach Herrn Brehm, damit er mit seinen Gehilfen die Bäume entfernte und durch Blumenschmuck ersetzte. Hans übernahm die Leitung über das diffizile Verrücken des Klaviers und achtete streng darauf, dass sich keiner der

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