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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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wurde.»
    Christian schüttelte den Kopf. «Doch, denn als ich mich für dieses Leben entschied, war das der erste Schritt eines langen Weges, der mich schliesslich heute auf den Dachboden des Splendid führte. Und ich habe auf diesem Weg nicht nur Dinge getan, auf die ich stolz bin.»
    Er konnte sehen, wie sie sich seine Worte durch den Kopf gehen liess und sich vorzustellen suchte, was er alles getan hatte.
    Zu seiner Überraschung wanderte ihre Hand zu ihrem Gürtel. «Versagen Sie sich darum das Morphium? Ist das eine Strafe?»
    Die Frage traf ihn unerwartet, und er musste einen Moment darüber nachdenken. «Nein, ich fürchte, das ist nur Sturheit und dummer Stolz. Meine Strafe ist wohl eher, dass ich hier nichts selbst ausrichten kann und ständig auf Hilfe angewiesen bin.»
    «Das ist jetzt dummer Stolz», erwiderte sie, und er musste gegen seinen Willen lächeln.
    In dem Moment klopfte es an der Tür, sie ging öffnen. Es war der Concierge, der um eine kurze Unterredung mit Christian bat. Obwohl er nichts gegen die Anwesenheit der Gouvernante zu haben schien, verabschiedete sich Miss Staufer. Beim Hinausgehen griff sie nach der Schale mit den Blumen und nahm sie mit. Christian erhaschte noch einen kurzen Blick auf ihr Gesicht, sie hatte Tränen in den Augen.
    Herr Ganz war gekommen, um die heikle Frage eines neuen Valets zu besprechen. Christian wusste, dass der Mann nur seine Pflicht tat, aber das kam natürlich nicht in Frage. Er tat sein Bestes, ihn davon zu überzeugen, dass er eigentlich keiner Hilfe mehr bedurfte. Es war deutlich zu sehen, dass Herr Ganz ihm nicht glaubte. Er bot Christian an, einen der Etagenportiers namens Friedrich zumindest für die nötigsten Arbeiten abzustellen. Christian, der des Redens müde war, gab schliesslich nach, entschlossen, die Dienste dieses Friedrichs so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen.
    Als er wieder alleine war, trat er an sein Schreibpult und holte das Lesezeichen aus dem Gedichtband, der dort lag. Es war die kurze Liste, die Miss Staufer Ammann vor langer Zeit versehentlich übergeben hatte. Ein Versuch, sich den Sinn für das Schöne nicht rauben zu lassen, und ein erstaunlicher Akt des Aufbäumens.
    Er fragte sich, wogegen sie sich damit aufbäumte. Ihre Vergangenheit, von der sie sich mit viel Willen und Disziplin getrennt hatte? Oder ihre Gegenwart?
    Als Georgiana später zum Dinner kam, meinte sie zu ihm: «Was hast du noch mit Miss Staufer besprochen? Sie kam wie üblich für ihre Zofenpflichten vorbei, aber ich glaube, heute hätte sie nicht einmal die Knöpfe an meinem Kleid schliessen können; sie wirkte so aufgewühlt. Aber sie hatte natürlich einen schlimmen Tag.»
    «Schlimmer, als du ahnst», war seine Antwort.
    Sie betrachtete ihn eindringlich. «Sei vorsichtig, Christian. Und das sage ich nicht nur deinetwegen.»

Nächtliches Treiben
    «Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.»
    Das Lied von der Glocke – Friedrich Schiller, 1799
    Im Personal-Speisesaal herrschte am Morgen eine bedrückte Stimmung. Während die einen einfach traurig und aufgewühlt waren, gab es andere, denen der Gedanke zu schaffen machte, dass sie nicht bemerkt hatten, wie unglücklich einer aus ihrer Mitte gewesen war.
    Von Frau Lanz erfuhr Anna, dass es am Abend spät noch Streit unter den Männern gegeben hatte. Herr Ganz und Herr Brehm hatten Handgreiflichkeiten verhindern müssen, nachdem Hans seine Ansichten zum Seelenheil von Selbstmördern etwas zu laut verkündet hatte.
    Nun sass Herr Brehm mit düsterer Miene am Tisch. Er sprach die ganze Zeit über kein Wort und starrte nur vor sich hin. Es war überhaupt ungewöhnlich still im Saal. Die meiste Zeit über waren nur Agnes’ leise Schluchzer und das begütigende Flüstern von Marie und Helen, die neben ihr sassen, zu vernehmen.
    Lady Georgiana erzählte Anna während ihrer Morgentoilette, dass der Lieutenant sich Vorwürfe machte. «Anscheinend glaubt er, für Ammanns Tod verantwortlich zu sein. Ich weiss aber beim besten Willen nicht, wie er den Jungen hätte schützen können. Christian meint, er hätte ihn entlassen müssen, gleich nachdem er erfahren hatte, was hier gespielt wird. Das ist natürlich lächerlich. Wenn diese Leute glaubten, Ammann wüsste vielleicht etwas, das ihnen helfen könnte, dann hätten sie ihn sich so oder so gegriffen.»
    Anna hatte in der vergangenen Nacht lange wach gelegen und über das, was Lieutenant Wyndham ihr gesagt hatte, nachgedacht. Ob

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