Chili und Schokolade
ausgeschaltet?»
Merde! Ich hab tatsächlich vergessen, es wieder einzuschalten! Herr Keller wünscht eben keine Handys beim Personal. Aber was sage ich denn jetzt? Ob es glaubwürdig ist, dass ehrenamtliche Helfer ihre Handys nicht benutzen dürfen? Oder welchen Grund könnte ich sonst nennen? Akku leer? Funkloch? Handy verloren? Verloren! Ja, das ist gut. Aber dann muss ich mein Gerät natürlich verstecken, damit Konrad es nicht zufällig entdeckt – und zwar an einem Ort, an dem er garantiert nicht nachsieht.
Na, da brauche ich nicht lange überlegen: die Wäschebox. Die öffnet Konrad nicht mal, um seine eigene schmutzige Kleidung reinzuwerfen.
Ich wickle also mein Handy in ein Handtuch und lege noch eines von Konrads verschwitzten Sportshirts darüber. Den Rest sortiere ich gleich schon mal nach Bunt- und Kochwäsche.
Doch dann stocke ich mitten in der Bewegung. Beim Kontrollieren der Hosentaschen bin ich auf einen einzelnen Schlüssel gestoßen. Mit einem Herzanhänger!
Vor Schreck fällt mir das Ding aus der Hand. Und für einen Moment habe ich das Gefühl, als würde
mein
Herz stehenbleiben. So ein Anhänger gehört doch einer Frau! Hat Konrad etwas zu verheimlichen?
Plötzlich fällt mir die Serviette wieder ein, die ich vor kurzem in einem seiner Jacketts gefunden habe. Darauf war mit knallrotem Lippenstift eine Telefonnummer notiert. Konrad hatte behauptet, er habe bei einem Geschäftsessen keinen Stift gehabt, worauf ihm die Kundin ihren Lippenstift angeboten habe. Damals habe ich ihm die Geschichte geglaubt. Denn ich dachte immer, es gäbe keinen Grund, an Konrads Treue zu zweifeln. Mon dieu! Wie naiv bin ich eigentlich?
Ich atme mehrmals tief durch und probiere dann den ominösen Schlüssel in allen Türen im Haus. Aber er passt nirgendwo.
Könnte er vielleicht ins Büro gehören? Nein, soweit ich weiß, hat Konrad sämtliche Büroschlüssel an einem Bund zusammengefasst. Wem gehört also dieser?
Trotz intensiven Grübelns komme ich zu keiner plausiblen Erklärung. Es muss aber eine geben! Ich beschließe, Konrad einfach anzurufen.
«Was gibt’s?», meldet er sich forsch.
«Ich bin es, Evelyn», antworte ich ordentlich, obwohl er die Nummer unseres Anschlusses auf seinem Display gesehen haben muss. «Du hattest auf den Anrufbeantworter gesprochen», erinnere ich ihn.
Wegen des Baulärms im Hintergrund brüllt er: «Ach so, ja. Wo warst du denn? Und was ist mit deinem Handy los?» Seine Verärgerung ist trotz des Geräuschpegels deutlich zu hören.
«Entschuldige, ich war im Seniorenstift. Das habe ich dir doch erzählt», erkläre ich. Die Handy-Frage lasse ich unbeantwortet.
«Wie dem auch sei», übergeht er meine Erklärung. «Ich rufe wegen eines Schlüssels an. Er müsste in einer meiner Hosen –»
«Ja, den habe ich gerade in deiner Wäsche gefunden!», unterbreche ich ihn erleichtert. Würde er mich danach fragen, wenn er etwas zu verbergen hätte?
«Durchsuchst du etwa in meiner Abwesenheit meine Sachen?», fährt er mich frostig an.
«Entschuldige, Konrad.
Du
hast mir doch aufgetragen, die Taschen deiner Sachen zu kontrollieren, bevor ich sie in die Reinigung bringe. Erinnerst du dich nicht? Ich glaube, es ist etwa drei Jahre her … Du hattest Geld in einem Jackett vergessen.»
Statt einer Entschuldigung seinerseits höre ich wieder nur ein genervtes: «Wie dem auch sei, der Schlüssel gehört Dr. Lenz –»
Verwundert unterbreche ich ihn: «Unserem Hausarzt?»
«Ja, ja. Ich habe diverse Umbauarbeiten in seiner neuen Wohnung betreut und vergessen, den Schlüssel in unserem Büro zu hinterlegen. Du musst ihn sofort hinbringen.»
«Wird erledigt», verspreche ich und lege beruhigt auf. Die Schlüssel-Geschichte hat sich als harmlos entpuppt. Wie konnte ich nur denken, Konrad könnte mich betrügen?
Eilig schlüpfe ich in bequemere Klamotten und hole mein Handy wieder aus der Wäschebox. Nachdem ich den Schlüssel in ein niedliches grünes Päckchen mit blassgrüner Seidenschleife verpackt habe, fahre ich wie versprochen ins Architekturbüro.
Die Meyersche Firma liegt am Prinzregentenplatz. Konrads Großvater erwarb das respektable vierstöckige Altbauanwesen vor langer Zeit. Wegen des gelben Anstrichs und der dunkel gebeizten Fensterrahmen nennen es Jens und Timo «Vaters Bienenstock». Anfangs erstreckten sich nur einige Büroräume über das Hochparterre, die oberen Stockwerke wurden privat genutzt oder waren an verdienstvolle Angestellte vermietet. Auch Konrad
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