Chili und Schokolade
Kollegen schon kennengelernt? Und wie ist deine zukünftige Chefin? Ich kenne ja nur ihr Essen, aber das ist echt oberprima.»
«Na ja, ich habe Frau Stoll erst einmal gesehen, aber sie war mir sehr sympathisch», berichte ich und erzähle, dass ich den Job nicht zuletzt wegen des Probekochens bekommen habe.
Ulla staunt. «Was für eine geniale Idee.»
Verlegen rühre ich in meiner Kaffeetasse. «Küchen machen mich offensichtlich kreativ. Da laufe ich zur Höchstform auf.»
Ulla richtet sich auf und schüttelt ihr Kissen zurecht. «Also, ich glaube, in dir steckt eine ganz andere Frau, als man auf den ersten Blick vermutet. Deshalb wundere ich mich auch, dass du deine Talente in einer Küche verschwenden willst. Kochen kannst du doch auch zu Hause.»
«Darüber wundert sich meine Nachbarin ebenfalls», gestehe ich amüsiert.
Neugierig erkundigt sich Ulla: «Geht mich zwar nichts an, aber braucht ihr die Kohle?»
«Nein, nein», wehre ich ab und erkläre, dass Konrad sehr gut verdient und mir eigentlich nie erlauben würde zu arbeiten. «Er denkt jetzt, ich würde mich sozial engagieren.»
Ulla lacht Tränen, als ich ihr berichte, wie es zu diesem Missverständnis kam. Es ist so schön, mit ihr darüber sprechen zu können.
«Sag ich doch, Evelyn. Du bist gar nicht die biedere Hausfrau im harmlosen beigen Outfit. Ich glaube, in dir steckt eine ganz raffinierte Femme fatale!»
Dass jemand von mir eine derart verruchte Vorstellung hat, bringt mich ebenfalls zum Lachen.
«Ach, Männer!», schnauft Ulla plötzlich unwillig. «Die sind doch nur zufrieden, wenn es nach ihrem Willen geht. Henry war am Wochenende auch enttäuscht, dass es wegen des lädierten Beins nichts zu essen und nur Blümchensex gab. Aber ich konnte einfach nicht so rumturnen, wie er es gern gehabt hätte.»
«Hat er dir denn wenigstens was gekocht?», frage ich besorgt – auch, weil es mir unangenehm ist, über Sex zu plaudern.
«Henry und kochen?» Amüsiert verdreht Ulla die Augen. «Der glaubt doch, die Küche sei minenverseuchtes Gebiet. Aber er war im Feinkostladen einkaufen und hat noch was vom Asiaten liefern lassen.»
«Wie traurig», stelle ich mitfühlend fest. «Ich dachte, die jungen Männer deiner Generation wären anders und hätten ihre Angst vor Kochtöpfen und Pfannen längst überwunden. Kochen ist doch eigentlich in Mode, wie man an den vielen jungen Fernsehköchen und ihren Kochshows sieht.»
«Stimmt schon, in meinem Freundeskreis gibt es einige Jungs, die super kochen können – und sich sogar unaufgefordert zum Pinkeln hinsetzen. Aber ich hatte bisher nur zwei kurze Affären mit Gleichaltrigen. Ich stehe mehr auf ältere Männer. Die Jungs in meinem Alter sind irgendwie total unreif, denken nur an Fußball, mit Freunden abhängen und Bier. Männer wie Henry dagegen sind verantwortungsvoll und können mir etwas mehr bieten.»
Überrascht und gleichsam verwundert starre ich sie mit großen Augen an. Dass ältere Männer von Ulla hingerissen sind, ist logisch. Eine junge attraktive Frau ist sicher ein begehrtes Statussymbol, mit der sie der Welt beweisen können, wie potent sie noch sind. Aber was eine kluge Frau wie Ulla an einem grauhaarigen Esel findet, verstehe ich nicht. Für Ulla ist mein Staunen wohl eine Aufforderung, mir noch mehr über ihren Traummann zu erzählen.
«Henry ist aber kein alter Mann. Er ist fünfzig, und solche Männer laufen nicht sofort weg, wenn eine Frau die Wörter
Familie
oder
Kinder
in den Mund nimmt. Henry möchte sogar unbedingt noch Kinder haben. Er ist nämlich Witwer und kinderlos.» Versonnen blickt sie aus dem Fenster. «Er sieht auch noch super aus. Also, wenn er Schauspieler wäre, hätte Sky du Mont einen ernsthaften Konkurrenten. Wir haben uns übrigens bei einem Job kennengelernt. Ich hab dir doch erzählt, dass ich staatlich geprüfte Dolmetscherin für Russisch und Arabisch bin. Na ja, und über meine Dolmetscheragentur hat er mich engagiert, als er mal russische Geschäftspartner hatte, und so kam es zum ersten Kontakt.»
Ihr verklärter Gesichtsausdruck und das Glitzern in ihren blauen Augen lassen keine Zweifel aufkommen. Offensichtlich ist sie heftig verliebt.
«Das hört sich ja alles so an, als gäbe es schon einen Hochzeitstermin», schließe ich aus ihrer Schilderung.
Ulla schüttelt müde den Kopf. «Leider nicht. Zuerst möchte ich noch ein paar Jahre arbeiten, ich hab schließlich nicht studiert, um dann gleich zu heiraten und Kinder zu kriegen. Aber
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