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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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in letzter Zeit höre ich meine biologische Uhr ziemlich laut ticken, ich werde ja bald dreißig. Ich kann schon an keinem Kinderwagen mehr vorbeigehen, ohne neidisch reinzuschauen … Aber wer weiß, vielleicht geht’s ja doch schnell.» Plötzlich leuchten ihre Augen wieder. «Henry hat nämlich eine Wohnung für uns gekauft, und wenn er darüber spricht, hat seine Stimme immer so einen fürsorglichen Ton.»
    «Hm …», überlege ich. «Möglicherweise überrascht er dich ja demnächst mit einem Ring.»
    Ulla streckt ihre linke Hand aus, als würde daran ein imaginärer Verlobungsring funkeln. «Ach, ja», seufzt sie und greift nach einer weiteren Praline. «Das wäre himmlisch.»

[zur Inhaltsübersicht]
9
    Aufgeregt wie ein Schulkind vor der Einschulung betrete ich an meinem ersten Arbeitstag das Seniorenstift. Erst als ich in weißem Kittel und einem Tuch auf dem Kopf die Küche betrete, fällt die Anspannung von mir ab wie Mehlstaub von trockenen Händen.
    Der junge dunkelhäutige Mann, den ich schon beim Probekochen gesehen habe, hantiert bereits an der Spüle.
    «’allo», begrüßt er mich. Sein Akzent ist eindeutig französisch.
    «Ich bin Evelyn Meyer, die Neue», stelle ich mich vor und gestehe: «Leider spreche ich kein Französisch. Aber ich kann Omelette bestellen, Café au lait, Sandwich au Jambon und … äh, fluchen.»
    Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Lächeln. Eine Reihe strahlend weißer Zähne wird sichtbar. «Oui?»
    Da kommt Frau Stoll in die Küche und zeigt auf ihren Mitarbeiter. «Das ist Abbud, unser marokkanischer Sonnenschein! Wir duzen uns übrigens alle, ich bin Gerlinde – und französisch fluchen kann ich auch. Hat mir Abbud beigebracht!»
    Sie streckt mir die Hand entgegen. Verlegen drücke ich sie. Hoffentlich denkt sie jetzt nicht, dass ich ständig fluche.
    «Sacre Bleu.» Vergnügt lachend klopft sich Gerlinde auf den flachen Bauch. «Ich wusste doch, dass mein Gefühl mich nicht täuscht. Du passt prima zu uns. Also, willkommen im Reich der Genüsse! Deine Bayrisch Creme kam übrigens fantastisch an. Heute gibt’s Obstsalat zum Nachtisch, Evelyn. Sei so gut, filetiere die Orangen und schäle die Äpfel, auch wenn dadurch eine Menge Vitamine verloren gehen. Aber einige unserer Bewohner tragen schon die «Dritten», und da bleibt gern die Schale drin hängen.»
    Ich nicke und freue mich, etwas dazugelernt zu haben.
    Die Vorbereitungen für das Frühstück dauern eine gute halbe Stunde. Zwischenzeitlich liefert ein Biobäcker warmes Brot und Brötchen. Zusammen mit Roswitha, der zweiten Küchenhilfe, verteile ich alles im Frühstückszimmer in den Körbchen auf den Vierer-Tischen. Von dem großen, lichtdurchfluteten Raum im Erdgeschoss hat man einen wunderschönen Blick auf die Isar. Die Logenplätze an den Fenstern, von wo aus man die Spaziergänger beobachten kann, sind schnell belegt. Pünktlich um sieben helfe ich beim Servieren und bediene die gehbehinderten Bewohner. Ein bisschen komme ich mir zwar wie eine Kellnerin vor, aber Herr Keller hat mir erklärt, dass wir «unsere Bewohner» wie Gäste behandeln. Dazu gehört auch, das Wort
Senioren
zu vermeiden.
    Aber im Grunde unterscheidet sich meine Arbeit kaum von der zu Hause. Abgesehen vom schnellen Tempo in der Küche und den freundlichen Gesichtern um mich herum. Konrad sitzt ja meist nur muffelig rum und sieht durch mich hindurch. Hier dagegen bekomme ich ein freundliches Lächeln, einen netten Blick oder einen dankbaren Händedruck. Doch das Schönste ist das Gefühl, nicht herumkommandiert zu werden, wie Konrad das gerne tut. Vielleicht vergeht mein 4-Stunden-Arbeitstag deshalb schneller als Teewasser kocht.
     
    Nach den Vorbereitungen für das Mittagessen verlasse ich meinen neuen Arbeitsplatz in Hochstimmung. Nur ein winzig kleines Problem bereitet mir noch Kopfzerbrechen: Ich brauche eine Lohnsteuerkarte. Keine Ahnung, wie ich da rankommen soll. Ich weiß auch nicht, wo Konrad meine aufbewahrt. Möglicherweise liegt sie in seinem Schreibtisch. Aber da ranzugehen, hieße, etwas Verbotenes zu tun. Sein Arbeitszimmer darf selbst Eulalia ohne Erlaubnis nicht betreten.
    Zu Hause blinkt der Anrufbeantworter, und ich spule voller Neugier zurück.
    «Hier ist Konrad. Evelyn, hallo. Wieso gehst du denn nicht ran?» Es klingt, als wäre er überzeugt davon, dass ich danebenstehe und mithören würde. Ungehalten spricht er weiter: «Seit Stunden versuche ich, dich zu erreichen. Und wieso hast du dein Handy

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