Chili und Schokolade
ab.
Sichtlich enttäuscht drehen sich die beiden weg, nehmen ihre Pappbecher in Empfang und ziehen tuschelnd ab.
Peinlich berührt dämpfe ich meine Stimme: «Ulla, du hast wohl vergessen, dass mein Mann eine Geliebte hat! Also brauche ich auch diesen Verführungskram nicht. Es würde ja eh keiner sehen.»
Als wir wenig später mit unseren Cappuccino-Tassen durchs Lokal wandern, bietet uns ein schwarzgekleideter Mann mit Hornbrille zwei Plätze an seinem Tisch an.
Ulla lehnt mit kühlem Blick ab. «Wir haben auch keine Zeit für Flirts», erklärt sie mir, als ich verwundert frage, warum wir uns an einen der Fensterstehplätze begeben, statt lieber bequem zu sitzen.
«Ach, ich weiß gar nicht mehr, wie flirten geht», wehre ich verunsichert ab. So viel Aufmerksamkeit vom anderen Geschlecht bin ich nicht gewohnt.
Ulla wirft mir einen skeptischen Blick zu. «Das ist doch Quatsch, flirten ist wie Radfahren, das verlernt man nicht.»
Ich nicke verlegen und behalte lieber für mich, dass ich als kleines Mädchen sehr viel länger als andere Altersgenossinnen gebraucht habe, um ohne Hilfe fahren zu können. Stattdessen rühre ich versonnen in meiner Tasse, während Ulla mir in gewohnt atemlosem Tempo die erste Lektion in Sachen Selbstbewusstsein erteilt.
«Also, du brauchst nicht nur einen neuen Look, sondern auch eine komplett andere Einstellung zu Männern – und vor allem zu Geld, Evelyn. Fangen wir bei dem leidigen Zaster an. In Zukunft ist er dir piepegal, klar? Sobald du etwas siehst, was dir gefällt, überlegst du nicht, ob du dir das leisten kannst, du kaufst es, weil es dir gefällt und weil du gerade in Kauflaune bist. Um dieses Gefühl zu verinnerlichen, brauchst du auf jeden Fall teure Dessous. In feiner Wäsche fühlt man sich völlig anders. Auch Männer spüren das.»
«Kauflaune?», wiederhole ich staunend. «Allein dieses Wort hört sich für mich wie eine Todsünde an. Und wer soll diese Laune bezahlen?»
«Konrad Meyer! Du hast doch auch vorhin seine Kreditkarte benutzt», antwortet sie gelassen, als handle es sich um einen Lottogewinn und nicht um meinen knauserigen Ehemann. «Stell dir einfach vor, er würde dich zum Dank für deine jahrelange, aufopfernde Fürsorge zu einem unlimitierten Einkaufsbummel einladen.»
Bei dieser absolut utopischen Vorstellung verschlucke ich mich an meinem Kaffee. Wenn ich mir ausmale, wie Konrad auf die unerwarteten Ausgaben für Klamotten reagiert (die ihm noch dazu gar nicht gefallen werden), wird mir für einen Moment ganz schwummerig.
«Bekommst du etwa Skrupel?», fragt Ulla verwundert und klopft mir auf den Rücken.
«Na ja … Das wäre dann so, als ob mich Konrad für etwas belohnt, das er sich vertraglich gesichert hat.»
«Ach, vergessen wir mal diesen Ehevertrag und nehmen einfach mal an, dein geiziger Göttergatte wäre bereit, dein läppisches Taschengeld nachträglich um einhundert Euro zu verdoppeln … dann wäre er dir für fünfundzwanzig Jahre Ehe …» Sie murmelt kurz vor sich hin und strahlt mich dann triumphierend an. «… dreißigtausend Euro schuldig! Die Zeiten des Sparens sind endgültig vorbei, Evelyn. Ab sofort bist du gnadenlos verschwenderisch! Wir müssen ja nicht gleich an einem Tag die ganzen Dreißigtausend auf den Kopf hauen.» Genüsslich löffelt sie die Schaumreste aus ihrer Tasse.
«Dreißigtausend Euro …», wiederhole ich andächtig. «Dann werden wir jetzt also Herrn Meyers Geld verprassen.»
«Na bitte, das klingt doch gleich ganz anders», stellt Ulla begeistert fest. «Ich würde vorschlagen, wir machen uns als Erstes auf die Suche nach ein paar echt heißen Stilettos, die zur Lederhose passen. Und wenn wir Glück haben, finden wir auch noch ein Paar schicke Stiefel zum Rock.»
Wir setzten unseren Einkaufsbummel im «Shoe-Heaven» fort. Der Schuh-Himmel ist das teuerste Schuhgeschäft der Stadt und Ullas Lieblingsladen – seit Henry ihr dort das erste Paar Schuhe geschenkt hat, wie ich jetzt erfahre.
Schon ein Blick in das minimalistisch dekorierte Schaufenster verspricht ein ungewöhnliches Shoppingerlebnis. Trotz ausreichender Größe des Fensters wird dem Passanten auf schwarzem Lackuntergrund nur ein einziges Paar Riemchensandaletten mit Bleistiftabsätzen aus Pythonschlangenleder sowie ein dazu passendes Täschchen präsentiert. Bisher fand ich Accessoires aus Schlangenleder immer befremdlich, aber diese hier sind von einer zurückhaltenden Eleganz, die man tatsächlich nur
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