Chili und Schokolade
So super, wie du jetzt aussiehst, Evelyn, würde er dir alles glauben.»
In der ersten Boutique werden wir zuvorkommend und wie zwei gern gesehene Stammkundinnen behandelt – was Ulla zu verdanken ist, die sich benimmt, als wolle sie gleich den Laden leer kaufen.
«Meine Freundin trägt diese klassischen Sachen nun schon seit Jahren und möchte ihren Stil komplett verändern», verkündet sie verheißungsvoll lächelnd und stöckelt unter den erwartungsvollen Blicken der Verkäuferinnen durch den Laden.
Neugierig schlendere ich neben Ulla her. Und genauso neugierig begebe ich mich dann in die Umkleidekabine und zwänge mich in die erste der drei Lederhosen, die Ulla für mich ausgesucht hat. Eine ist etwas zu weit, in die zweite passt immerhin ein Bein, und in die dritte kann ich mich gerade mal so hineinquetschen. Sie ist aus einem dunklen Bordeaux, das mir sehr gut gefällt.
«Wie angegossen», stellt Ulla nach einem kurzen Blick fest, als ich mit angehaltenem Atem aus der Kabine trete.
«Aber ich kriege keine Luft!», widerspreche ich leise, weil ich fürchte, dass die Nähte oder der Reißverschluss platzen, sobald ich ausatme. «Die ist ja auch eine Nummer zu klein. Normalerweise trage ich achtunddreißig.»
«Quatsch, du hast eindeutig sechsunddreißig! Deine Schlabberhosen sind alle eine Nummer zu groß, man kann gar nicht sehen, was für eine perfekte Figur du hast», erwidert sie ungerührt. «Dreh dich mal um.»
Vorsichtig drehe ich ihr den Rücken zu. Ulla stößt einen anerkennenden Zischlaut aus. «Messerscharfes Teil. Oberprima! Betont deine Kurven. Mein Onkel wäre begeistert!»
Unnachgiebig sehe ich Ulla an. Doch mein Einwand, dass ich mich in dem
messerscharfen
Teil weder bewegen noch hinsetzen kann, holt die bis dahin in höflicher Distanz wartende Verkäuferin aus ihrer Lethargie. Mit fachkundigem Handgriff zerrt sie am Hosenbund herum und entkräftet meine Behauptung.
«Ihre Freundin hat recht, diese Hose passt perfekt.» Sie hat natürlich längst gemerkt, dass Ulla die Modeexpertin von uns beiden ist.
«Evelyn, du bist nur nicht daran gewöhnt, Klamotten zu tragen, die wie eine zweite Haut sitzen. Dein Schlabberzeug hat dich total verweichlicht», behauptet Ulla, als ginge es um gesundheitliche Abhärtung durch eiskalte Duschen.
Diese neue zweite Lederhaut, sowie ein schmal geschnittener Ledermantel im selben Farbton und ein enger schwarzer Rock mit Seitenschlitzen werden also die Basisteile meiner neuen Ausstattung. Widerspruch zwecklos.
Als ich wieder in meiner Schlabberhose stecke, überreiche ich an der Kasse der Verkäuferin Konrads Kreditkarte.
«Diese Hose wird Ihrem Gemahl bestimmt gefallen», versichert sie mir, als wisse sie genau, was Männer mögen.
Wenn die wüsste!, denke ich beim Verlassen des Ladens. Ich überrede Ulla zu einer Kaffeepause. Die brauche ich nach dieser Anstrengung unbedingt.
Sie lotst mich ins nahegelegene «San Francisco», am Odeonsplatz. Es ist einer dieser neumodischen Coffee-Shops, in dem sich vorwiegend junge Berufstätige mit pappigen Sandwiches in Plastikfolie und Coffee-to-go versorgen. Zu meiner Sekretärinnenzeit wäre Pappbecherkaffee einfach nur unappetitlich gewesen, heute ist er anscheinend sehr angesagt. Aber in meinem Alter ist «angesagt sein» so weit weg wie der letzte Schultag.
Drinnen ist es laut und voll, und ich fühle mich etwas deplatziert in dieser Handy-Laptop-Welt. Einige der Gäste scheinen nämlich auch in ihrer Kaffeepause nicht ohne ihre Geräte sein zu können. Aber zu meiner Überraschung gibt es den Kaffee auch in Tassen.
«Warum setzen wir uns nicht in ein gemütliches Café und lassen uns von einer netten Bedienung Kaffee und ein leckeres Stück Kuchen servieren?», protestiere ich leise, als wir bei der Getränkeausgabe hinter zwei Männern in überweiten Jeans und Shirts anstehen.
So geduldig wie ich früher mit Jens und Timo gesprochen habe, antwortet Ulla jetzt: «Dafür fehlt uns die Zeit. Und an deiner Stelle würde ich Kuchen und alle anderen Dickmacher im Moment lieber weglassen. Denk an die Lederhose! Außerdem brauchst du unbedingt noch diverse Oberteile, Schuhe und natürlich Dessous.»
«Dessous?», entfährt es mir bestürzt.
Einer der beiden Männer dreht sich um und zwinkert mir frech zu. «Hey, ihr zwei Sahneschnitten, habt ihr Lust mit uns zur Handyweitwurf-Meisterschaft nach Finnland zu fahren?»
«Träum weiter, Kleiner», fertigt ihn Ulla mit einer lässigen Handbewegung
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