Chili und Schokolade
als
himmlisch
bezeichnen kann.
Drinnen sind vereinzelte Schuhmodelle auf kleinen Acrylborden an der Wand wie exklusive Exponate ausgestellt.
«Übrigens spricht man hier nicht über Preise», instruiert mich Ulla bei Betreten des Ladens, «das wäre kleinkariert. Wenn dir ein Paar gefällt, frag also auf keinen Fall, wie viel sie kosten. Schnäppchen gibt’s sowieso keine, hier wird nicht mal zu Saisonende reduziert. Designermodelle gelten als zeitlose Klassiker und werden nur ein-, zweimal pro Größe geordert.»
Ein attraktiver Enddreißiger heißt uns überschwänglich willkommen, umarmt Ulla wie eine gute Freundin und küsst sie schmatzend auf die Wangen. Sie stellt mir Jerome, den Besitzer, vor. Mit seinen kantigen Gesichtszügen und den dunklen welligen Haaren, die bis auf die Schulter reichen, sieht der Inhaber eher nach Rockstar als nach Schuhverkäufer aus.
Jerome bietet uns Platz auf brombeerfarbenen Samthockern an und kredenzt Champagner und Wasabinüsse.
«Was kann ich für euch hinreißende Ladys tun?», fragt er und lauscht dann konzentriert meinen Wünschen. Er schlägt vor, die Lederhose einfach mal anzuziehen. «Dann kann ich dich professionell beraten.»
Wie gut sich Jerome trotz des reduzierten Ambientes auf seine Kundinnen einstellt, merke ich an der geräumigen Umkleidekabine: Links und rechts kann man sich in hohen, schlank machenden Spiegeln bewundern. Eine Sitzgelegenheit bietet auch hier ein Samthocker wie im Verkaufsraum. Die Beleuchtung ist warm und schmeichelnd, und kein kaltes Neonlicht lässt die Beine noch hässlicher als zu Hause aussehen. Hier ist das Umziehen ein Vergnügen und keine Qual, denke ich und schlüpfe begeistert in die zweite Lederhaut.
Beim folgenden Probiermarathon gewöhne ich mich zu meiner eigenen Verwunderung nicht nur an die schwindelerregend hohen Absätze. Auch das einengende Gefühl in meiner Lederhose ist bald verschwunden. Je öfter ich, wahlweise in Hose oder Rock, auf dem dunklen Parkett umherstöckle und außer den Schuhen auch mein neues Gesicht im Spiegel bewundere, umso besser gefalle ich mir. Überhaupt merke ich, wie viel Vergnügen es bereitet, wenn mir Jerome immer neue Modelle zuträgt. Nie hätte ich geglaubt, dass Verschwendung so viel Spaß machen kann. Selbst mein anfangs noch etwas wackeliger Gang wird nach und nach selbstsicherer. Der um diese Tageszeit ungewohnte Champagner, die scharfen Wasabinüsse sowie Jeromes Komplimente und besonders Ullas kleine Entzückensschreie lassen das Ganze zu einer vergnüglichen kleinen Party ausarten.
Als wir den Schuh-Himmel verlassen, ist das Schaufenster leer. Das Set aus Pythonschlangenleder steckt in einer brombeerfarbenen Lackpapiertüte. In einer zweiten stecken graue Stiefel mit hohen Absätzen aus unglaublich weichem Wildleder (zum Rock), sowie eine dazu passende Tasche. In der dritten Tüte hat Jerome schicke Mary-Jane-Stilettos im dunklen Lila der Strickmütze aus der JETI -Kollektion meiner Söhne sowie eine Clutch verpackt. Wie von Ulla instruiert, habe ich darauf verzichtet, nach den Preisen zu fragen und den Abrechnungsbon achtlos unterschrieben. Denn nur hemmungslos betriebene Verschwendungssucht macht richtig Spaß – Ullas oberste Regel.
Im Dessous-Laden geht meine Ausbildung zur shoppingsüchtigen Frau von Welt dann weiter. Ulla greift nur nach Wäsche, die ich normalerweise nicht mal ansehen würde. Aber als ich auf ihr Drängen eines dieser frivolen Wäsche-Sets aus schwarzer Spitze und dazu ein Paar halterlose Strümpfe mit zartem Spitzenrand anprobiere, fühle ich mich tatsächlich nicht mehr wie eine brave Hausfrau, sondern ein klein bisschen verrucht. Mein Busen, den ich immer für klein gehalten habe, wirkt in dem Mieder mit einem Mal provokant groß. Ein Kribbeln läuft über meine Haut. Und für einen kurzen, frivolen Moment stelle ich mir vor, wie es sein müsste, ein begehrtes Callgirl zu sein.
Wieder ignoriere ich die Preise. So langsam beginne ich mich an diese Art des Einkaufens zu gewöhnen. Ja, es macht sogar höllischen Spaß, Konrads Geld auszugeben.
Leider hat das Vergnügen im Dessous-Laden länger gedauert als geplant, und wir müssen die Verschwendungs-Tour beenden. Ulla ist ja mit ihrem Henry verabredet und will ihn nicht warten lassen.
«Sag mal, was verdient so ein Callgirl eigentlich?», frage ich auf der Fahrt in die Schleißheimerstraße.
Versonnen blickt Ulla aus dem Fenster, als müsse sie erst nachrechnen. «Ein gefragtes Callgirl kann schon
Weitere Kostenlose Bücher