Chili und Schokolade
und seine Schritte auf dem Marmorboden hallen, gebe ich vor, Zeitung zu lesen.
«Wo sind meine Schaufeln?», höre ich Konrad gleich darauf mit scharfer Stimme fragen.
Ah! Deshalb hat es so lange gedauert. Ich atme tief durch, drehe mich langsam zu ihm um und sage freundlich: «Dir auch einen schönen Tag. Wie war die Fahrt?»
«Wo meine Schaufeln sind, will ich wissen», bellt er jetzt wie ein wild gewordener Bullterrier. Er lässt seinen Handkoffer fallen und kommt auf mich zu.
Einen Moment später steht er bedrohlich dicht neben mir. Sein Gesicht ist rot angelaufen, was sein graues Haar noch fahler wirken lässt. Er starrt mich erbost an, verliert aber kein Wort über mein Aussehen. Am liebsten würde ich aufspringen und mit meinen Absätzen aufstampfen. Stattdessen straffe ich meine Schultern und blicke ihn herausfordernd an.
«Gestohlen!», erkläre ich und versuche, ihm mit vielen Entschuldigungen die Geschichte vom versehentlich offen gelassenen Garagentor zu verkaufen.
Die Zusammenhänge scheinen erst nach wenigen Sekunden in seinem Bewusstsein anzukommen. Wutschnaubend wirft er seinen Mantel auf einen Stuhl. «Die Polizei … Hast du die Polizei verständigt?», faucht er.
«Äh …» Merde!, daran habe ich dummerweise nicht gedacht. Ich schüttle den Kopf und nippe verlegen an meinem Wasserglas.
«Du bist aber auch zu gar nichts mehr zu gebrauchen!», flucht er und verlangt weitere Einzelheiten zu erfahren: «Wann war das genau? Wie lange warst du weg? Wann bist du zurückgekommen?» Zu jeder Frage trommelt er ungeduldig mit dem Zeigefinger auf den Tisch.
Mühsam unterdrücke ich meinen Lachimpuls. So in Rage habe ich ihn noch nie erlebt. Um noch mehr Öl auf sein loderndes Wutfeuer zu schütten, erhebe ich mich langsam von meinem Stuhl. Und zum ersten Mal seit wir uns kennen überrage ich ihn!
«Es ist erst gestern Nachmittag passiert», antworte ich von oben herab. «Ich hatte es eilig und habe offensichtlich vergessen das Tor zu schließen. Es war also Selbstverschulden. Ich denke nicht, dass die Polizei in einem so kleinen Fall nachforscht. Die müssen wichtigere Verbrechen aufklären.»
«Das werden wir ja sehen», schimpft er und stürzt ans Telefon, das wie gewöhnlich auf einem der Beistelltische neben der Couch steht.
Während Konrad in aufgebrachtem Ton telefoniert und der Polizei die Meinung sagt, setze ich mich wieder, strecke die Beine aus und raschle absichtlich mit der Zeitung.
«Schicken sie jemanden vorbei?», frage ich vorsichtig, nachdem er aufgelegt hat.
«Selbstverständlich!», triumphiert er und kommt an den Tisch zurück, um nach seinem Mantel zu greifen. Noch in der Bewegung hält er inne.
Na, endlich: Er hat mein verändertes Aussehen wahrgenommen. Verstört wandert sein Blick über meine Frisur an der Lederhose entlang und bleibt schließlich an meinen Stilettos hängen. In seinem Gesicht erkenne ich seine unwillig zusammengezogenen Brauen und die dadurch entstehende tiefe Zornfalte. Kraftlos sinkt er auf einen Stuhl.
«Was ist hier eigentlich los?» Konrads Augen flackern unruhig wie ein gefangenes Tier. Seine Stimme klingt leise, aber hörbar verunsichert.
Plötzlich erkenne ich den Grund dafür: Konrad hat panische Angst vor Veränderungen! Er will nach Hause kommen und alles in gewohnter Ordnung vorfinden, wie das immer der Fall war. Genau deshalb hat er mich auch nicht mehr wahrgenommen. Man könnte sagen, ich gehöre praktisch zum Inventar wie in einem dieser Demonstrationsmodelle von Architekten, in denen Bäume und Menschen dazugestellt werden. Wieso ist mir das nicht schon früher aufgefallen?! Der berühmte Stararchitekt, dessen Beruf es ist, ganze Landstriche zu verändern, gerät in Panik, wenn die Ehefrau ihren Kleidungsstil ändert!
Zu gerne würde ich laut loslachen. Für den Moment belasse ich es aber bei einem Achselzucken sowie einer provozierenden Gegenfrage: «Was meinst du?»
Offensichtlich ist das zu viel für seinen lädierten Gemütszustand. Konrad springt abrupt auf. Seine Faust landet knallend auf dem Esstisch. Das Wasserglas fällt um, der Inhalt ergießt sich über den Tisch und wird langsam von der Zeitung aufgesogen.
«Diese Schlamperei! Den widerlichen Zigarettengestank! Und wie du überhaupt aussiehst, meine ich!» Sein Missfallen ist weder zu überhören noch zu übersehen.
Ich erhebe mich, ziehe meinen Pulli glatt, greife nach dem Glas und schreite, begleitet vom klackenden Geräusch meiner 10-Zentimeter-Absätze, betont
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