Chili und Schokolade
sie begeistert quietschen. «Ich begleite dich natürlich zu deiner Verwandlung. Wann gehst du denn zum Friseur, und wo treffen wir uns?»
«Äh … heute Nachmittag», erkläre ich überrascht. «Du kannst natürlich gerne mitkommen. Mal sehen, ob es ein noch größerer Blödsinn-Tag wird …»
«Ja, und wer weiß, vielleicht nimmst du den Callgirl-Job dann doch noch an …!»
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13
Um 16 Uhr treffe ich Ulla vor «New Style». Wieder mal staune ich über ihr modisches Gespür. Niemals käme ich auf die Idee, dunkelblaue Jeans und ein grau-rosa Jäckchen im Chanel-Stil zu kombinieren. Darunter trägt Ulla eine rosefarbene Chiffonbluse mit dekorativer Schleife am Hals. Schwarze hochhackige Stiefel und eine schwarze Chanel-Handtasche ergänzen den lässigen Schick. Sie ist ganz natürlich geschminkt, hat ihr Haar beinahe unordentlich mit einer schwarzen Samtschleife zu einem Pferdeschwanz gebunden und sieht dennoch nicht schlampig, sondern jung und sexy aus.
Ich dagegen fühle mich in meiner sandfarbenen Bundfaltenhose, dem gleichfarbigen Pulli und dem beigen Trenchcoat ganz schön spießig.
«Heute machen wir eine komplett neue Evelyn aus dir!», prophezeit sie und küsst mich zur Begrüßung auf die Wangen.
So überzeugt von der Leichtigkeit unseres Vorhabens wie Ulla bin ich noch lange nicht. «Na, da hast du dir ja einiges vorgenommen. Auch wenn ich dein sicheres Gespür für modische Trends sehr bewundere, wird das keine leichte Aufgabe werden.»
Unbekümmert wie immer bringen meine Zweifel sie nur zum Lachen: «Ach was, es wird ein Vergnügen. Außerdem hab ich gerade nichts zu tun, und Henry treffe ich erst am Abend.»
Im Salon empfängt uns die typische Duftmischung aus verschiedenen Haarpflegeprodukten und warmer Föhnluft. Trixis dunkle Augen glänzen begeistert, als ich vor ihr im Stuhl sitze.
«Heute verpassen wir Ihnen also endlich eine neue Farbe und einen neuen Schnitt!» Liebevoll, beinahe andächtig, fährt sie ein letztes Mal durch mein aschblondes Haar. «Und Sie bleiben auch wirklich bei Ihrem Entschluss?»
«Ganz sicher!», antwortet Ulla für mich und fügt augenzwinkernd hinzu: «Frau Meyer hat lange genug wie Frau Meyer ausgesehen.»
Bei dieser treffenden Feststellung wird mir plötzlich bewusst, dass ich nicht nur sehr lange so ausgesehen habe, ich habe mich auch lange genug so benommen! Lange genug habe ich mich nur um die Familie gekümmert und vor allem um die Bedürfnisse von
Herrn
Meyer. Schon viel zu lange existiert meine Ehe nur noch auf dem Papier. Viel zu lange habe ich die Zwillinge mit meinen Ängsten und meiner gluckigen Art drangsaliert, sie vielleicht damit sogar aus dem Haus getrieben. Wer weiß, ob sie nicht auch in München hätten studieren können. Ja, es ist allerhöchste Zeit, ein paar Veränderungen vorzunehmen, denke ich und lächle Ulla zustimmend an.
Trixi hält mir verschiedenfarbige Haarbüschel in die Stirn, um den genauen Farbton auszusuchen. Doch die Entscheidung ist schnell getroffen – ich habe ja Ulla als Typberaterin dabei.
Dann wird es ernst: Trixi holt ein Farbtöpfchen, stellt es auf ihren fahrbaren Assistenten und beginnt am Hinterkopf mein Haar abzuteilen. Als sie nach dem Farbpinsel greift, wird mir etwas mulmig, aber Ullas aufmunternder Blick stärkt meinen wankenden Mut.
Nach vierzig bangen Minuten geht’s ans Auswaschen. Als ich mich dann im Spiegel sehe, kriege ich erst mal einen gewaltigen Schreck. «Mon dieu! Das ist ja …»
«Ein Traum!», stellt Trixi verzückt fest und greift nach Kamm und Schere. «Jetzt noch einen modischen Schnitt, und Sie erkennen sich nicht wieder.»
«Bitte nicht zu kurz», versuche ich einen zaghaften Einwand. Aber Trixi ist nicht mehr aufzuhalten. Ihre Augen strahlen, als bekäme sie endlich die «Goldene Schere» verliehen, auf die sie seit Jahren hinarbeitet. Und während sie ihr chromglänzendes Werkzeug ansetzt, versucht sie mich fröhlich plaudernd abzulenken. «Wissen Sie eigentlich, was ein Haarschnitt und Liebeskummer gemeinsam haben, Frau Meyer?»
Seltsamer Vergleich, denke ich. Ob mir mein Kummer so deutlich anzusehen ist? Schulterzuckend versuche ich, möglichst vergnügt zu lächeln.
«Beides wächst mit der Zeit heraus!»
Ulla findet den Vergleich höchst amüsant, aber ich bin mir da nicht sicher. Eines steht nämlich fest: Wenn mir der neue Schnitt nicht gefällt, muss ich damit rumlaufen. Und so langsam, wie mein Haar wächst, dauert das endlose Wochen, in
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