Chili und Schokolade
doch gar nicht, wie ich mich benehmen und worüber ich mich mit ihrem Onkel unterhalten soll.
Bertram bleibt gelassen. «Na, dann nix wie los, Kleines! Wir werden uns auch ohne dich amüsieren.»
Ulla wirft mir ein flüchtiges Handküsschen entgegen und saust mit wehenden Haaren los. Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her, schlage unsicher die Beine übereinander, ziehe am Rock (im Sitzen ist er doch sehr kurz), nestle an der Schleife der neu erstandenen burgunderroten Chiffonbluse herum (trotz des stilisierten Blumenmusters erscheint sie mir plötzlich viel zu durchsichtig) und hoffe, dass Bertram nicht auf dumme Gedanken kommt. Was hat er überhaupt mit
amüsieren
gemeint?
Mon dieu!, wie jung er aussieht. Ob es an der gutsitzenden Jeans liegt? Ich mag ja Männer in Jeans. Konrad besitzt keine einzige. Und auch ich habe mir erst heute eine zugelegt. Aber das behalte ich lieber für mich.
«Geht es dir gut?», erkundigt sich Bertram, als er meine Nervosität bemerkt.
So souverän wie möglich antworte ich lächelnd: «Eigentlich schon … Obwohl ich derzeit das Gefühl habe, auf einem sinkenden Schiff zu leben.»
Bertram überlegt kurz, dann lacht er, und ich kann sehen, dass er perfekte Zähne hat. Die kleinen Fältchen, die dabei um seine Augen entstehen, sind ein beruhigendes Zeichen, dass ich hier nicht mit einem Mann sitze, der mein Sohn sein könnte. «Ach, du meinst deine Profession.»
Wieso Profession?, denke ich und kapiere erst viel zu spät, was er meint. Ich nicke verlegen und lächele.
«Ich mag Frauen mit skurrilem Humor», bekennt er.
Die Bedienung unterbricht unser Verlegenheitsgeplänkel und rettet mich vor einer dümmlichen Antwort. Wir bestellen Cappuccino. Ich nehme ein Mineralwasser dazu, Bertram ein Stück Sachertorte – seine Lieblingstorte, wie er mir verrät. Beim Thema Torte fühle ich mich schon ein wenig sicherer. Beinahe hätte ich mich mit der peinlichen Geschichte von der verbrannten Geburtstagstorte verraten, als nun auch mein Handy klingelt.
Ich murmle «Entschuldige» und nehme das Gespräch an.
Mon dieu! Es ist Konrad.
«Wo bist du?», höre ich ihn fragen.
Das ist doch die Höhe! Er verschwindet zwei volle Tage und meldet sich dann zurück, indem er so tut, als sei alles bestens. Als hätte wir nie gestritten.
«Kann es sein, dass du gerade in einem Café sitzt?», fragt er beiläufig, als ich nicht sofort antworte.
Eine Welle von Nervosität überrollt mich. Ich spüre, wie ich rot anlaufe. Ein Glück, dass Bertram sich höflicherweise der Getränkekarte widmet.
«Äh … wie kommst du zu der Annahme?»
«Wegen der Geräuschkulisse.»
Einen panischen Moment lang sehe ich mich im Café um, weil ich befürchte, Konrad könnte gleich neben mir auftauchen und
mich
der Untreue bezichtigen. Vielleicht war es doch keine gute Idee, in der Öffentlichkeit einen fremden Mann zu treffen, jedenfalls wenn Ulla nicht dabei ist.
«Ich verstehe dich nicht richtig», antworte ich ausweichend. «Die Verbindung ist nicht sehr gut.»
«Ich wollte mich bei dir entschuldigen und dir Bescheid geben, dass ich heute Abend gegen sieben zu Hause sein werde.» In ungewohntem Plauderton spricht Konrad weiter. «Und falls du keine Lust hast zu kochen, können wir zur Abwechslung mal wieder in einem Restaurant essen.»
Wie bitte? Das wird ja immer verrückter! Konrad will mich ausführen!? Ich kann mich gar nicht erinnern, wann wir das letzte Mal zusammen aus waren. Muss Jahre her sein. Er scheint ja ein unglaublich schlechtes Gewissen zu haben. Oder Alma hat ihm zugeredet. Aber vermutlich will er nur herausfinden, ob ich tatsächlich diesen Dr. Lent angerufen habe!
«Äh … ja, mal sehen», erkläre ich kühl und beende das Telefonat.
«Alles in Ordnung?», erkundigt sich Bertram.
«Äh, ja, ja, alles bestens. Das war ein geschäftliches Gespräch», antworte ich schnell und wundere mich über meine dreiste Lüge. Aber was hat Ulla gesagt? Ach ja: Phantasie braucht Übung!
«Einer meiner treuesten Kunden will einfach nicht glauben, dass ich nicht mehr arbeite», fabuliere ich kühn weiter und muss mich beherrschen, dabei nicht loszukichern. Konrad, mein treuester Kunde … Ha! Der Lacher des Jahres!
«Das kann ich nur zu gut verstehen», erwidert Bertram und sieht mir tief in die Augen. «Ich hoffe, du hältst das nicht für eine plumpe Anmache, aber wie kommt eine so attraktive Frau wie du mit einer … ja, ich möchte sagen, aristokratischen Ausstrahlung, zu so
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