Chili und Schokolade
schweige.
Wie verzweifelte Fliegen, die ins Freie wollen, aber nur gegen eine Fensterscheibe knallen, schwirren die Fragen durch meinen Kopf. «Äh, nein … Ich meine ja. Also, eigentlich bin ich nicht wegen der Wohnung hier.»
Schwungvoll schlägt der Anwalt die rötliche Mappe zu und sieht mich erwartungsvoll an.
Geistesgegenwärtig greife ich in meine Tasche und reiche ihm das Kuvert. «Es geht um einen Kochbuch-Vertrag, zu dem ich gerne Ihren Rat hätte.» Ich kann ihn ja schlecht fragen, ob mein Mann eine Geliebte hat.
Während Dr. Lent die Seiten herausholt und zu lesen beginnt, spreche ich einfach weiter. «Wie Sie sehen, ist der Vertrag auf den Namen Eve Lacombe ausgestellt, mein Pseudonym für dieses Werk.»
Er zieht die Brauen hoch und mustert mich. «Ist dieser Name amtlich, ich meine, in Ihrem Pass eingetragen?»
«Pass? Äh … nein, wozu sollte das gut sein?»
«Tja, in diesem Fall ist die Unterschrift ungültig.» Er blättert den dreiseitigen Vertrag durch. «Ich würde Ihnen raten, den Vertrag auf Evelyn Meyer umzuschreiben und das Pseudonym zum Titel des Werkes hinzufügen zu lassen. Damit wäre die Sache dann rechtskräftig.»
Pseudonym … Vertrag … ungültig … Seine Worte dringen kaum zu mir durch. Ständig muss ich an Konrad und die Wohnung denken.
Wie in Trance bedanke ich mich für die Beratung, verabschiede mich eilig und verlasse so schnell wie möglich das Büro.
Müde schleppe ich mich nach Hause. Konrad erwarte ich erst heute Abend, es bleibt also noch ein wenig Zeit, um mir eine Strategie zu überlegen.
Um mich zu beruhigen und besser nachdenken zu können, beschließe ich ein heißes Bad in Limonenschaum zu nehmen, als plötzlich mein Handy klingelt.
«Hey, Eve, bist du zu Hause?» Ullas Stimme klingt ungewöhnlich hektisch.
«Ja, bin ich. Was ist los?»
«Kann ich vorbeikommen?», keucht sie atemlos. «Ich muss dir unbedingt etwas ganz Wichtiges erzählen!»
«Na klar, aber willst du mir nicht verraten, was dich so aufregt? Ich mache mir Sorgen.»
«Nichts Schlimmes. Ganz im Gegenteil», erklärt sie und legt auf.
Keine fünfzehn Minuten nach unserem Telefonat hält ein Taxi vor dem Haus. Ich laufe zur Tür und sehe eine derangierte Ulla aussteigen. Jedenfalls macht sie in ihrer weiten Jeans, dem dicken Schlabberpulli und den nachlässig hochgesteckten Haaren einen für sie untypisch schlampigen Eindruck. Aber der äußerliche Eindruck täuscht. Übermütig lacht sie mich an und läuft mit ausgestreckten Armen auf mich zu.
«Es ist passiert!»
«Mon dieu!, hat dir Henry endlich den Antrag gemacht?», frage ich und schiebe sie ins Haus.
Ulla stemmt die Hände in die Hüften und baut sich breitbeinig vor mir auf. «Viel, viel besser.»
«Ulla, bitte, nun sag schon», stöhne ich entnervt, weil ich im gleichen Augenblick Konrad in die Garage fahren höre. «Mein Termin beim Anwalt war eine einzige Katastrophe, und da kommt Konrad schon, viel zu früh. Also sag jetzt endlich, was los ist, oder ich werde hysterisch.»
Sie streckt mir ihren Bauch entgegen. «Rate!»
«Wenn das wieder eine deiner Blödsinn-Ideen ist … Dafür habe ich heute wirklich keinen Nerv.»
Genau in dem Moment als Konrad das Haus betritt, platzt Ulla endlich mit ihrer Neuigkeit heraus: «Ich bin schwanger!»
Konrad stockt in der Tür und sieht uns irritiert an.
«Hallo Konrad», begrüße ich ihn. «Wir haben Besuch. Das ist Ulla, die ich aus dem Seniorenheim kenne. Ulla, das ist –» Es verschlägt mir die Sprache, als ich den panischen Blick meines Mannes sehe.
Einige Sekunden lang herrscht beängstigende Stille, nur unterbrochen von dem dumpfen Geräusch eines zu Boden fallenden Aktenkoffers.
«Henry!?», kreischt Ulla plötzlich.
Ich benötige nur eine Nanosekunde, um zu begreifen, was hier los ist: MEIN Konrad ist IHR Henry! Noch vor einer Stunde habe ich geglaubt, ihm bitter Unrecht getan zu haben. Von wegen! Es ist alles noch viel ungeheuerlicher, als ich es mir mit meinem schlichten Hausfrauenhirn vorgestellt habe. Das hier ist eine Menage à trois! Und meine Freundin Ulla ist die Geliebte meines Mannes! Und Konrad, dieser emotionale Raffzahn, wollte mich auch in Zukunft ausnutzen. Hätte er sonst in letzter Zeit so einen versöhnlichen Ton angeschlagen?
Konrad oder Henry, also Konrad-Henry wird leichenblass. Er kapiert natürlich auch ohne detaillierte Erklärung, dass er gerade seine Apokalypse erlebt. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen rast sein Blick zwischen
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