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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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Grinsen im Gesicht beginnt er, mir die Speisen von der Schiefertafel vorzulesen.
    Jeder für sich entscheiden wir uns für einen kleinen Salat, Entenbrust an Pfeffersauce und frische Feigen mit Mascarponecreme zum Dessert. Wir haben einen Menge Gemeinsamkeiten, stelle ich beglückt fest.
    Als sich der Kellner nach der Bestellung entfernt, hebt Bertram sein Glas und spricht einen Toast aus.
    «Auf den Erfolg!», sagt er und sieht mir tief in die Augen. «Bei dieser Gelegenheit möchte ich dir gerne sagen, wie froh ich bin, dich kennengelernt zu haben.»
    Schüchtern gebe ich das Kompliment zurück.
    «Auch auf die Gefahr hin, dass ich indiskret erscheine, möchte ich dich gerne fragen, wie du eigentlich in diese Callgirlbranche äh … Also, ich meine, hattest du vielleicht vorher einen anderen Beruf? Was hat
Eve Lacombe
vorher gemacht?»
    Ich könnte stundenlang zuhören, wenn er meinen Namen mit französischer Betonung ausspricht. Seine Stimme klingt dann so weich und beinahe zärtlich. Doch auf diese Frage war ich nicht vorbereitet.
    «Ach, … äh, das ist eine langweilige Geschichte», antworte ich vage, um Zeit zu gewinnen. «Keine schlimme Kindheit, keine Gewalt, kein Schmutz oder so. Jedenfalls nichts, aus dem man eine publikumswirksame Sensationsstory stricken könnte.»
    «Deshalb habe ich nicht gefragt. Aber was dich betrifft, so kann mich nichts langweilen.»
    Der Kellner serviert die Vorspeise und füllt Wein nach. Mir fällt Ullas kurze Erfahrung mit der unseriösen Begleitagentur ein. Gedanklich füge ich ein paar Veränderungen zu ihrer Geschichte hinzu, nehme einige Wahrheiten aus Evelyn Meyers Leben und
koche
daraus Eve Lacombes Werdegang. «Nun», beginne ich. «Dann werde ich dir meine Geschichte wohl erzählen müssen.»
    Erwartungsvoll nickt er mir zu.
    «Also, ich war zwanzig Jahre alt, kam gerade von einer Wirtschaftsschule und suchte nach einem Job. Eine Bekannte, von der ich wegen ihrer schicken Klamotten und ihres Porsches immer dachte, sie käme aus einem wohlhabenden Elternhaus, überredete mich eines Abends, sie zu einer Verabredung zu begleiten. Ihr Freund würde einen Kollegen mitbringen. Daraus wurde dann ein sehr feucht-fröhlicher Abend, und am nächsten Morgen bin ich in einem Hotel aufgewacht. Na ja, es waren die Achtziger, und ich war jung. Mein One-Night-Stand hatte auf dem Kissen einen Umschlag hinterlassen. Darin steckten ein Zettel, auf dem
Vielen Dank für diese wundervolle Nacht
stand, und dreihundert Mark. Was hätte ich tun sollen? Das Geld dem Portier geben? Meine Bekannte meinte ganz pragmatisch, ich solle mir einfach vorstellen, es wäre ein verspätetes Geburtstagsgeschenk. Als ich kurz darauf wieder mit ihr und zwei Männern ausging, wurde ich direkt nach meinem Preis für die Nacht gefragt … Tja, meine Bekannte gestand mir dann, dass sie für eine Begleitagentur arbeiten würde und dieser Extraservice den Mädchen selbst überlassen sei. Es gäbe keinen Zwang, alles wäre freiwillig.» Ich mache eine kleine Pause, um Bertram verstohlen von der Seite anzusehen. Ob er mir die Story abkauft?
    Nachdenklich legt er seine Gabel zur Seite und wischt sich mit der Serviette über den Mund. «Aber du hattest doch die Wirtschaftsschule –»
    «Mit einem miserablen Zeugnis abgeschlossen», werfe ich ein und klopfe mir in Gedanken selbst auf die Schulter für diesen genialen Einfall. Überhaupt bin ich stolz auf mich und meine sprudelnde Phantasie. Munter improvisiere ich weiter. «Und deshalb fing ich an, für diese Escort-Agentur zu arbeiten. Man könnte also sagen, ich bin da einfach so reingerutscht.»
    «Grundsätzlich ist es mir egal, wo jemand herkommt, aber bei dir ist es etwas anderes … Äh, also nicht aus moralischen Gründen», beteuert Bertram schnell, als ich ihn fragend anblicke. «Ich habe dir ja schon bei unserem ersten Treffen gesagt, dass du nicht gerade das Klischee eines Callgirls erfüllst. Obwohl ich mich in dieser Branche nicht besonders gut auskenne.»
    Als die köstlich duftende Entenbrust serviert wird, ergreife ich die Gelegenheit, das Thema zu wechseln, bevor mir die Ideen ausgehen und Bertram doch noch meine wahre Identität aufdeckt.
    «Jetzt haben wir aber genug von mir gesprochen», erkläre ich. «Warum erzählst du mir nicht, was du so treibst, wenn du mal nicht nach neuen Buchideen suchst? Es gibt doch sicher auch Tage, an denen du keine Bücher mehr sehen kannst.»
    Konzentriert widmet sich Bertram dem Zerschneiden des Fleisches.

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