Chili und Schokolade
von einer Nicht-Scheidungs-Tradition gehört. Wo doch inzwischen jede dritte Ehe scheitert.» Schnaufend belege ich ein zweites Stück Toast mit Lachs und gebe reichlich Sahnemeerrettich obendrauf. «Als ich noch Sekretärin bei meinem Schwiegervater war, gab dieses Thema oft Anlass zu Geflüster. Arwed war ja ein gutaussehender Mann. Sobald ihm auch nur eine der weiblichen Mitarbeiterinnen schöne Augen machte, hieß es immer: Gegen diese Tradition kommt keine an.»
«Dann ist dein Schwiegervater auch fremdgegangen, oder?», fragt Ulla neugierig.
«Klar», erwidere ich kauend. «Noch so eine Meyersche Familientradition, wie ich inzwischen weiß. Meine Schwiegermutter hat mir gut zugeredet, großzügig über den kleinen Fehltritt ihres Sohnes hinwegzusehen. Zur Ablenkung hat sie mir eine Reise empfohlen …»
«Weißt du, was mich wundert, Eve?», fragt Ulla versonnen.
«Dass wir wieder miteinander reden?», mutmaße ich. «Aber ich bin froh darüber, denn eigentlich haben wir uns doch gut verstanden, oder?»
«Haben wir, Eve. Und nachträglich gesehen, bin ich richtig dankbar über unseren kleinen Autounfall.» Ulla schiebt noch zwei Brotscheiben in den Toaster. «Was mich aber noch viel mehr wundert, ist, dass sie dir kein Schmerzensgeld angeboten haben.»
Ich werde hellhörig. «Hat man dir denn welches angeboten?»
«Könnte man so sagen. K.H. wollte meine Miete übernehmen, weil Zusammenziehen deinetwegen ja nicht in Frage käme. Außerdem wollt er mir meine Klamotten bezahlen. Mit anderen Worten: Er wollte mich kaufen!», konstatiert sie empört. «Die Rolex hab ich ihm übrigens zusammen mit dem Schlüssel für die neue Wohnung vor die Füße geknallt. Ich lasse mich doch nicht aushalten! Sonst wäre ich doch tatsächlich …» Sie bricht ab und sieht mich verblüfft an.
«Ein Callgirl», vervollständige ich.
«Ganz genau», bestätigt sie und sieht mich fragend an. «A propos Callgirl, mein Onkel ist am Boden zerstört. Wir sollten ihn bald über die unerwartete Wendung informieren.» Ulla füllt unsere Tassen auf und sieht mich herausfordernd an. «Jetzt hast du doch erst recht allen Grund, einen Skandal zu provozieren. Meinst du nicht?»
«Mmh … Allein in die entsetzten Gesichter dieser erzkonservativen Familie zu sehen, wäre ein guter Grund, es mir doch noch zu überlegen», sage ich mehr zu mir selbst. «Also, was machen wir zwei verhinderte Callgirls jetzt mit dieser ungeheuren Situation?»
Ullas Augen verengen sich. «Rachepläne schmieden!»
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22
Ich gestehe Ulla, dass ich Konrad in Gedanken schon tausend Tode habe sterben lassen.
Sie richtet sich aus ihrer zusammengesunkenen Stellung auf und blickt mit zornfunkelnden Augen aus dem Fenster. «Also ich würde ihn vom Baugerüst stoßen. Das ist schön unverfänglich.»
«Ach nein», wehre ich ab. «Es müsste etwas sein, das ihn richtig lange schmerzt und am besten auch noch die ganze Königsfamilie. Etwas, das die Grundfesten dieser feinen Familie erschüttert.»
«Wir sollten ihm auflauern», schlägt Ulla feixend vor. «Wenn er uns zusammen sieht, kriegt er diesmal garantiert einen echten Herzinfarkt.»
«Tja, nur leider wissen wir nicht genau, wo er ist. Bei seinen Eltern hat er sich jedenfalls nicht versteckt.»
«Na, dann kann er sich eigentlich nur in seine neue Dachterrassenwohnung verkrochen haben», vermutet Ulla. «Die Einbauten für Bad und Küche waren ja so gut wie abgeschlossen. Ich weiß, wo die Wohnung liegt, sollen wir hinfahren?»
«Was soll das bringen?», frage ich, überrascht von ihrem Vorschlag.
«Na, du könntest ihm ein Scheidungsangebot machen, das er nicht ablehnen kann», sinniert Ulla mit rachelüsternem Gesichtsausdruck. «Konfrontiere ihn mit deinen Forderungen.»
Zugegeben, ihr Vorschlag ist nicht übel. Auch wenn ich Konrad nicht mehr zurückhaben will, wäre es Balsam für meine geschundene Ehefrauenseele, ihm meine Forderungen an den Kopf zu knallen, ihn in Angst und Schrecken zu versetzen.
«Da gibt es nur eine unbedeutende Kleinigkeit», stöhne ich. «Ich weiß gar nicht, wie meine Rache konkret aussehen soll.»
«Nicht?», wundert sich Ulla. «Willst du vielleicht doch keine Scheidung? Liebst du ihn noch?»
Bestürzt fahre ich zusammen. «Mon dieu, nein! Spätestens als seine Mutter zu mir kam, um für ihn zu sprechen, habe ich kapiert, was für ein jämmerlicher Feigling K.H. ist. Mittlerweile habe ich auch den letzten Respekt vor ihm verloren.»
«Verstehe.
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