Chill Bill (German Edition)
sich ein Bier. Er kannte das Mab’s und die Mädels. An manchen lauen Sommerabenden hatte er hier seine Zeit verbracht, wenn die Aufträge knapp waren. Mendez zahlte ihm zwanzig pro Abend nur fürs Herumsitzen, und die Mädels mochten ihn, denn seine Anwesenheit gab ihnen ein Gefühl der Sicherheit. In der ersten Zeit, nachdem seine Ehe den Bach runtergegangen war, hatte er sich immer mal wieder auf eine Nacht einladen lassen. Das hatte ihm damals gutgetan. Perto war einer der wenigen Farbigen, die die Mädels ranließen. Sie hatten selbst alle eine dunkle Haut, die einen mehr, die anderen weniger. Richtig weiß wie die Gören an den Pools von Ipanema war keine von ihnen. Trotzdem gaben sie den dunkelhäutigen Männern keine Chance, denn sie wollten sich verbessern, sich in die oberen Regionen hineinbumsen. Sie machten es mit Farbigen nur für sehr viel Geld oder gar nicht.
Perto hatte keinen Grund, es ihnen übel zu nehmen. Selbst wenn sie ihn nicht bedient hätten, hätte er es verstanden. Er wusste, wo sie herkamen. Er kannte die
Favelas
und wusste, was es bedeutete, auf die eine oder andere Art da herauszukommen. Egal wie, nur raus. Er wusste, was die Mädels dafür bereit waren zu tun.
Eine Weile betrachtete er die Frauen, erinnerte sich an seine Ex, ging zum Telefon, warf eine
Ficha
ein und wählte ihre Nummer.
»
Oi!
Ja, ich bin’s. Nein, es ist wegen Carlo. Frag ihn, ob er einen Job für mich machen will. Fünfzig
Reais
für ein paar Stunden Arbeit … Ich weiß, dass er erst fünfzehn ist. Es ist Wochenende. Sie kriegen Ferien. Sagen wir bis zwei … Nein, es ist völlig ungefährlich. Er nimmt meinen Fotoapparat und fotografiert ein paar Leute auf der Straße … Klar bin ich in der Nähe … Ja, in Copacabana. Okay. Ich hole ihn ab.«
ATA-ME!
Elisabeth lag auf dem Bett. Sie war nackt. Es war zu heiß für Kleidung, aber das war nicht der Grund. Elisabeth suchte nicht lange nach einem Vorwand, wenn sie sich ausziehen wollte. Sie tat es.
Endlich war sie volljährig. Ein hartes Schuljahr endete, und immer noch nahm niemand sie ernst. Schwerverbrecher hatte Corelli sich genannt. Und dieses Schlüsselwort, von solch undurchschaubaren Gestalten im schwülen Karnevalsklima ausgesprochen, just zu Ferienanfang, just anlässlich ihrer kleinen Krise, löste eine ganze Kette sensationeller Gefühle aus.
»
Ata-me
!
«, bat Elisabeth. Vincent blickte schockiert aus dem Fenster.
Corelli lag auf der Couch und kippte unablässig Bier in sich hinein. »Sie will gefesselt werden«, übersetzte er.
»Was hast du ihr erzählt?«, fragte Vincent.
»Weiß nicht mehr« antwortete Corelli, »ich war besoffen.« Er umfasste Elisabeths Handgelenke und hielt ihre Arme auf dem Rücken fest. Mit der freien Hand fuhr er geistesabwesend über ihren Hintern.
»Ah, ah!«, machte die Frau in einem Tonfall, als hätte sie es vorher einstudiert.
»Du musst ihr doch irgendwas über uns erzählt haben!«, wunderte sich Vincent.
Corelli schüttelte den Kopf. »Naja, vielleicht das eine oder andere … aber nichts Konkretes.«
Vincent ging zur Küche. Eigentlich wäre es Zeit für einen Wutausbruch gewesen, aber die gingen eh an Corelli folgenlos vorbei. Also stürzte sich Vincent auf den Tomatensalat. »Da kommt so ein halbgrünes Gemüse auf die Idee, sich mal eben zwei Männer zu schnappen. Anstatt mit ihren Schulfreunden Händchen zu halten im Park, will sich die Dame von uns ans Bett fesseln lassen.«
»Ein Sicherheitsrisiko«, ergänzte Corelli Vincents Wort zum Sonntag, massierte hier und da an Elisabeths Körper herum, wurde aber rüde abgewiesen. »Wenn sie gefesselt werden will, dann finde ich, sollten wir es tun.«
»Lass man!«, kam aus der Küche. Elisabeth stieß Corelli mit dem Fuß vom Bett. Ewig dasselbe. Er will nicht, sie will, ich will, sie will nicht.
»Nun bind sie schon ans Bett!«, rief er zur Küche.
»Mach’s selbst!«, maulte Vincent zurück.
»Ich kann’s nicht!«, brüllte Corelli hin.
Vincent warf sein Schälmesser in die Schüssel und die Schüssel an die Wand. Er riss sich eine von Corellis Dosen auf. Der nahm es mit Befremden zur Kenntnis. »Trinkst du jetzt?«
»Halt bloß die Klappe!«, fauchte Vincent in die Büchse.
»Ihr Vater ist ein Behördenhengst,« erklärte Corelli, »er schlägt sie, stell dir vor!«
»Und das ist der Grund, warum wir sie ans Bett schnallen sollen?«
Im Bad flötete eine helle Stimme:
»Vince!
Água não ’stá quente
…
«
REBEIRO LIEST
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