Chill Bill (German Edition)
ZEITUNG
Rebeiro befand sich im alten Billardsalon an der Praça Tiradentes und wählte sich die Finger wund, um Patrícia oder Borboleta zu erwischen oder irgend jemanden, der den Fleischkloß davon abhielt, eine Dummheit zu begehen. Es tat ihm leid, Borboleta ihre Telefonnummer gegeben zu haben. Der Typ war zu allem fähig.
Rebeiro selbst hatte ihm den Auftrag gegeben und der dumme Affe würde ihn gnadenlos und gedankenlos ausführen, auch wenn sich die Dinge mittlerweile grundlegend geändert hatten. Es spielte keine Rolle mehr, was vor dem Wochenende gewesen war. Und die Sache mit der Polizei nahm Rebeiro nicht mehr ernst. Es würde keinen Prozess geben, er war draußen. Niemand würde nach Zeugen fragen. Er erreichte Patrícia nicht. Wahrscheinlich trieb sie sich in fremden Hotelzimmern herum und wusste nicht, was auf sie zukam.
Rebeiro wählte seine eigene Nummer, aber das war natürlich sinnlos. Borboleta würde die von den MPs ausgeräumte Wohnung meiden wie die Pest.
Rebeiro versuchte es bei seinen Kumpels. Wen er auch anrief, keiner ging an den Apparat. Es war, als hätte sich die Welt in seiner kurzen Abwesenheit auf den Kopf gestellt. Er kapierte nichts, bis er in die Zeitung schaute. Fünfzig Kilo Koks.
Die Polizei fand dauernd Koks. Das war nichts Besonderes. Das Besondere war, dass er eine Menge Koks verloren hatte. Mit etwas Mühe konnte man darin eine einzige Geschichte erkennen. Er hatte vergeblich auf Luis gewartet. Luis hatte etwa hundert Kilo bei sich. Forçalobo hatte die Zeitung gelesen. Jetzt konnte er sich ausrechnen, wo das Zeug war, das Rebeiro suchte. Aber die Geschichte stimmte hinten und vorne nicht. Sie hatten den Laster im Süden geschnappt, aus São Paulo kommend. Außerdem passte die Menge nicht, und Luis hätte den Stoff niemals über Land gehen lassen.
Rebeiro wusste, dass er erledigt war, sobald Forçalobo erfuhr, wo er sich aufhielt. Er zögerte nicht lange. Die Anrufe ließ er bleiben, klaute die nächste Karre, die er sah, und startete nach São Paulo durch. Dort hatte er Freunde, die Forçalobo nicht kannte. Acht-Zehen-Joe und Marcello Come-Rato, auf die konnte man sich verlassen.
ERPRESSUNG
De Las Freitas schloss sorgfältig die Bürotür hinter sich. Das Telefon läutete. Es war seine Tochter. Er hatte den Anruf selbst durchgestellt, als das Gespräch eine zu peinliche Note annahm, um es weiter vom Vorzimmer aus zu führen. Am Karnevalswochenende glich die Polizeikaserne einem Taubenschlag. Dutzende der Leute interessierten sich für das Privatleben ihres Chefs.
»Handschellen?«, fragte De Las Freitas in den Telefonhörer, und gleich darauf etwas lauter: »Was willst du mit Handschellen?«
Die Stimme seiner Tochter schallte durch den Raum, selbst eine Telefonleitung konnte sie nicht entscheidend dämpfen: »Ich bin dir doch sowieso egal. Ich hab gewusst, dass mit dir nicht zu rechnen ist. Muss ich mir eben Geld besorgen und die Klamotten kaufen.«
Freitas zuckte zusammen. Er kannte seine Tochter. Die Erinnerung an das erste Mal, als er ihr eine kleine Geldsumme abgeschlagen hatte, war noch frisch. Da hatte sie sich das Geld bei den Touristen verdient. Er wollte gar nicht genau wissen, auf welche Weise. Nun reichte eine Anspielung ihrerseits, um aus seinen rudimentären Erziehungsversuchen die Luft zu lassen. Nicht auszudenken was geschehen würde, wenn irgend jemand in der Presse von der Sache Wind bekam. ›Tochter des Chefs der Militärpolizei eine Prostituierte‹ - die Schlagzeile würde ihn aus dem Gouverneurssessel katapultieren, bevor er drinsaß. Elisabeth wusste, wie sie ihre Ziele erreichen konnte. Was sie wollte, bekam sie. Sie hatte einen dicken Kopf. Und manchmal war Freitas darauf sogar ein wenig stolz.
»Du hast was?«, fragte Freitas noch einmal erschüttert. »Zwei deutsche Liebhaber?« Seine Gesichtsfarbe changierte zwischen rot und blau. Er zerbrach Bleistifte.
Das Lämpchen für die zweite Leitung leuchtete auf. Härte zeigen und Entgegenkommen, dachte er. »Ich habe einen Anruf auf der zweiten Leitung, Schätzchen. Wollen wir nicht …«
»Ich bin kein Schätzchen!«, maulte Elisabeth. Den verletzten Unterton schluckte die schlechte Leitung.
»Entschuldige! Lass uns doch einmal zusammen essen gehen! Dann reden wir über alles. Wie wär’s?«
Elisabeth zögerte. Halbherzig sagte sie zu. Als Freitas sich verabschiedete, hatte sie längst aufgelegt.
CÔCO -MANN
Der Côco -Mann hatte einen unnachahmlichen Gesichtsausdruck, wenn er sein
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