Chill Bill (German Edition)
Zwischen dem Dach und dem Nachbarhaus lagen vier Stockwerke Luft. Borboleta brauchte keine zwei Sekunden für die Strecke. Borboleta heißt Schmetterling.
SPÄTER
Um vier Uhr morgens klopfte es an der Tür. Corelli lag schlaflos auf dem Bett, während Vincent zwischen Fernseher und Badezimmer pendelte. Vincent schaute zur Sicherheit durch den Spion: »Patrícia und Carla.« Sie hatten die Nacht durchgetanzt und wirkten trotzdem ausgeschlafen. Außerdem sahen sie verdammt gut aus. Die Insassen der Wohnung waren am Ende ihrer Kräfte. Sie hatten bis spät in die Nacht hinein geschuftet, um Spuren zu beseitigen. Auch als von der Schießerei nichts mehr zu sehen gewesen war außer einem Kaugummi in einem Loch in der Schranktür, hatten sie noch eine Weile weitergemacht. Es war besser etwas zu tun zu haben. Schließlich blieb nur noch der Fernseher, um auf andere Gedanken zu kommen. Die Reportage über ein anstehendes Beachvolleyballspiel, die Vorstellung der Sambaschulen, Karneval, Karneval, Karneval. Welchen Kanal man auch erwischte, überall feierten die Leute, unterbrochen nur vom Werbeslogan eines Wanzenkillerdienstes: ›
Dois sete i três sete i três sete i três. Inseto fone
‹
, den man alle zehn Minuten untergejubelt bekam. Man konnte den Wanzenkillern nicht entgehen. Vincent hatte zwischen allen Fernsehstationen hin- und hergeschaltet, die sie mit ihrem Gerät empfangen konnten, bis der Kontakt im zusammengestückelten Antennenkabel abgerissen war. Er hatte die Leitung fachmännisch ausgebessert, um sich auf andere Gedanken zu bringen. Danach hatte er auch gleich noch ein paar der abenteuerlichen Elektroinstallationen im Bad ausgebessert.
Es klopfte zum zweiten Mal.
»Mann, sind die heute hartnäckig«, stellte Vincent fest.
»Sie hören den Fernseher«, sagte Corelli, »geh doch raus und schick sie weg!«
Vincent ging ins Bad. Er verspürte schon wieder ein leichtes Aufstoßen. Es klopfte zum dritten Mal. Corelli ließ die Frauen rein.
VÖLKERVERSTÄNDIGUNG
»Diese Schweinerei ist in Ihrem Hotel passiert. Und Sie wollen mir weismachen, Sie hätten damit nichts zu tun? Sie wollen mir erzählen, dass ein – wie sagen die da drüben? – na!«
De Las Freitas glotzte den Dolmetscher an. Katz glotzte den Dolmetscher an. Der Dolmetscher verdankte seinen Titel einem dreiwöchigen Crashkurs, den er ohne großes Interesse einer kleinen Gehaltszulage wegen vor langer Zeit absolviert hatte. Hier hatte er eine Chance, sich am Gegenstand zu messen. Er bemühte sich redlich, den bisher gesagten Text im Kopf zu behalten, von Übersetzen konnte keine Rede sein. ›Schweinerei‹, ›weismachen‹, ›damit nichts zu tun haben‹, das alles waren Redewendungen, die er nicht übersetzen konnte.
»Verdeckter Ermittler«, platzte De Las Freitas heraus.
›Verdeckter Ermittler‹, noch so ein Klops.
»Übersetzen Sie, Mann!«, raunzte De Las Freitas.
Der Dolmetscher wandte sich an Katz: »Er sagt, Sie sind ein besonderer Polizist …« Katz deutete De Las Freitas eine kurze Verneigung an. »… und er will wissen, warum Sie ihn geschossen haben.«
»Was geschossen?«, fragte Katz. Sein Kopfschmerz quälte ihn noch immer. Ohne das Aspirin hätte er wahrscheinlich nicht durchgehalten.
»Was sagt er?«, donnerte Freitas.
»Er fragt, wen?«, antwortete der Dolmetscher beflissen.
»Der Mann will uns erzählen, dass er nicht weiß, wovon ich rede?«, schrie Freitas.
»Wissen Sie, was wir sagen?«, fragte der Dolmetscher Katz.
»Nein«, antwortete Katz wahrheitsgemäß.
»Nein«, gab der Dolmetscher weiter, »er weiß nicht, wovon wir reden.«
»Ein Mann ist erschossen worden und er hat eine deutsche Kugel im Bauch. Der Mann ist in Ihrem Hotel erschossen worden. Sie sind ein Schnüffler mit einer Waffe und kommen aus Deutschland. Ist das alles Zufall?«, knarrte Freitas nun in Richtung Katz.
Der Angesprochene wich erschüttert zurück.
»Er sagt, ein Mann ist geschossen worden von einem Deutschen. Sie sind deutscher Polizist. Er will wissen, ob das alles Glück ist«, übersetzte der Übersetzer.
Katz lächelte verschmitzt: »In gewisser Weise ja.«
»Was sagt er, zum Henker?«
»In gewisser Weise, irgendwie, ist es ein Zufall. Soll ich ihn fragen, wie er das meint?«
»Sie sind hier Dolmetscher, ist das klar? Ich rede mit dem Mann. Sie übersetzen nur. Also fragen Sie ihn, was dieser Unfug bedeuten soll!«
»Was bedeutet dieser Unfug?«
»Ja, was bedeutet dieser Unfug?«, wiederholte Katz entnervt.
»Er
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