Chill Bill (German Edition)
Alleen, riss Fahnen von Stangen, Wäsche von der Leine, Kabel von Masten, zertrümmerte Scheiben, rupfte Vögel aus ihren Baumkronen, drosch Hunde in kopflose Fluchten, jagte Rinnsteine entlang, sammelte sich in schäumenden Strudeln über verstopften Gullideckeln, faltete Regenschirme auf links und zerbrach diejenigen wie Zahnstocher, die nicht augenblicklich von ihren Eigentümern aufgegeben wurden, peitschte Staub, Dreck, Sand und kleine Steinchen aus dem Asphalt der Straßen und tobte sich, nachdem alles Lebendige geflüchtet war, an der toten Materie aus wie ein Wahnsinniger in einer Gummizelle.
Drei Militärpolizisten glitten von der Pritsche, nass schon vom Hingucken, senkte ihre Köpfe, bis sie völlig durchnässt, geprügelt und misshandelt im Sichducken keinen Sinn mehr sahen, hörten den
Porteiro
durch den Regen schreien, bauten sich um Pertos Wagen auf – und auf der Suche nach einem Schuldigen dafür, dass sie hier stehen mussten, dass sie sich vom Regen demütigen und die Uniformen durchweichen lassen mussten – auf der Suche nach irgendjemand, dem sie die Schuld für irgendetwas geben konnten, egal wofür, und sei es die niedrige Besoldung, der fehlende Urlaub, die Steuern, das gottverdammte Sauwetter oder der hundertste Tote in diesem Jahr – auf der Suche nach einem Schuldigen und fixierten sie Katz.
»Aussteigen!«, schrie einer.
6. TEIL
Ich glaube, da kommt einiges auf uns zu –
sagte die Ameise, als die Kuh den Schwanz hochhob.
MÜLLVERBRENNUNG
Für den Vormittag hatte De Las Freitas die Kollegen von der US-Drogenbehörde in die Müllverbrennungsanlage nach São Cristovão eingeladen. Außerdem kamen noch ein paar enge Mitarbeiter und etwa sechzig Journalisten, um bei diesem historischen Moment zugegen zu sein, der Vernichtung von fünfzig Kilogramm sichergestelltem Kokain. Besonders die amerikanischen Journalisten, die ihre Aufgabe darin sahen, die erfolgreiche Arbeit des DEA im Ausland zu dokumentieren, waren vollständig erschienen. Sie filmten, was das Zeug hielt. Dabei gab es kaum etwas zu filmen. Der Chef der Militärpolizei hielt eine Rede, die die Jungs von der DEA nicht verstanden, ein Mann von der DEA hielt eine Rede, die die Militärpolizisten nicht verstanden, man klatschte sich höflich Beifall, schüttelte sich ausgiebig die Hände und dann fuhr ein Gabelstapler vor. Auf der Gabel spießte eine Palette mit sauber gestapelten Tüten. Sie hatten einen weißen Inhalt, waren etwa ziegelsteingroß und jede trug einen Aufkleber mit Totenkopf.
Der Stapler hielt vor den Journalisten hinter einer Absperrkette aus einem guten Dutzend schwer bewaffneter Soldaten mit Stahlhelmen auf dem Kopf und frisch gewichsten Kampfstiefeln an den Füßen.
Als das wilde Fotografieren nachließ, legte der Staplerfahrer den Rückwärtsgang ein und fuhr die Palette zielgenau in die vorbereitete Position. Auch der Staplerfahrer trug einen Kampfanzug. Die Palette wurde durch eine mächtige Ofentür ins flammende Innere der Anlage gehievt, kippte über die Kante und verschwand.
Ein Bediensteter ließ die Klappe, die man normalerweise nur zu Wartungszwecken öffnete, fachmännisch schließen, De Las Freitas erteilte die besprochene Anweisung und man sah das Strahlen aus dem Inneren des Reaktors heller und weißer werden. Der Techniker gab dem verblüfften Publikum Daten über die gegenwärtige Brenntemperatur durch und versäumte nicht, den technischen Standard der Anlage zu würdigen. Eine italienische Firma hatte sie errichtet. Zur Feier des Tages war sie auf Hochglanz poliert worden.
»Die Amerikaner lieben solche Bilder!«, schwärmte einer der Leute von der DEA. Es entging ihm, dass er sich ausschließlich unter Amerikanern befand. Er meinte natürlich die richtigen Amerikaner, die aus dem Norden.
Nach zwei Minuten war das Schauspiel vorbei und der Rauch, der an diesem Vormittag aus dem Schornstein der Müllverbrennung kam, war so weiß, als hätten sie einen neuen Papst gewählt.
NASS
»
Droga!
«, fluchte Perto, als er sich aus seinem Wagen schälte. Die Militärpolizei hatte ihn nach São Cristovão dirigiert, wo er Pessoa zu treffen hoffte. Katz, hatte man ihm gesagt, würde den Rückweg von São Paulo erster Klasse zurücklegen. Auf Staatskosten. Wenn überhaupt. Die ganze Nacht über war Perto gefahren und nun stand er barfuß und schwankend neben seinem Auto und prüfte skeptisch das Wagendach. Das Bombardement der Regentropfen hörte Perto noch immer, auch wenn der Regen selbst schon vor
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