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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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sogar, warum die so heißen. Weil die amtliche Post früher aus recycelten Uniformen gemacht wurde. Das hat uns jedenfalls damals unsere Klassenlehrerin erzählt. Damit kann man die Schüler kurz aufheitern, wenn es um dieses für sie schreckliche Thema geht. Für die heißt es ja weiterkommen oder klebenbleiben. Für mich ist die Frage eher wie: Wer wird Superstar, Mehrzad oder Menowin? Ich würde mich schon freuen, wenn meine Schüler möglichst geschlossen mit mir in die 10. Klasse wanderten, aber da sehe ich schwarz.
    Am nächsten Tag krakele ich hektisch die Ausfälle (Note 5 und Note 6) auf die Einladungen zum Elternsprechtag. Meine Klasse malt müde irgendetwas aus. Sie malen da schon seit drei Stunden dran rum und werden einfach nicht fertig. Dauernd geht die Tür auf: »Verschlafen.« – »Bus.« – »Ich dachte, Sie wären heute nicht da.«
    Ich bin hochkonzentriert. Ich will diese blöden Zettel heute fertig schreiben. Dauernd kommt ein Schüler oder eine Schülerin und setzt sich neben mich. Ich lege dann meine Hand auf die Notenliste. »Ich will doch nur meine Ausfälle sehen.« – »Ich will nur mal kurz gucken.«
    »Datenschutz!«, sage ich. »Okay, dann mache ich das eben nach der Stunde.«
    »Nein, nein, machen Sie jetzt. Ich geh schon.« Sie sind sehr interessiert an ihren Noten. Ist wie Schorf abpulen.
    Fertig. Ich lese die Namen vor und überreiche ihnen das Unausweichliche. »Annabel, komm, hier, deine Ausfälle … Benni … Burak.«
    Um jeden, der seine Einladung zum Elternsprechtag erhält, bildet sich eine Schüleransammlung. » Abó , fünf Ausfälle.« – » Tschüch , warum hab ich in Deutsch eine Fünf?«
    Die Notenliste mit den umkringelten Ausfällen liegt vor mir. Ich schreibe hinter jeden Namen, wie viele Fünfen und Sechsen er oder sie hat. Samira: 5, Abdul: 6, Mehmet: 7, Christine: 1, Ronnie: 2.
    Allen Schülern mit drei oder mehr Ausfällen muss ich in meiner Freistunde einen Blauen Brief schreiben. Das sind elf Schüler. Elf! Fast die Hälfte meiner Klasse ist gefährdet, sitzen-zubleiben.
    »Frau Freitaaag?« Samira schleicht mit ihrer Elternsprechtagseinladung zu mir. »Frau Freitag, kann es sein, dass hier gar nicht die Physiknoten draufstehen?« Ich sehe mir die Notenliste genauer an. Mist, da sind weder die Ausfälle in Physik noch in Erdkunde und auch nicht in Sport eingetragen. Schönen Dank auch. Na, super, da werden ja jetzt noch mehr Fünfen dazukommen. Kann ich meine Klasse ja gleich ganz auflösen. Die drei Streber, die versetzt werden, die tun wir in die Parallelklassen, und mich kann man dann gleich wegen Unfähigkeit entlassen.
    Nach ein paar Tagen haben wir uns alle vom Zensurenschock erholt. Die Schüler haben ihre schlechten Noten einfach vergessen, und ich habe alles erfolgreich verdrängt. Und dann scheint auch noch die Sonne und es ist Freitag. Das ändert alles. Ach, die Schüler, die sind schon süß. Wenn man nett zu denen ist, dann sind sie auch nett. Ist man sehr nett zu ihnen, dann werden sie auch sehr nett. So einfach ist das. Aber kann es wirklich so einfach sein?
    »Ist so heiß hier, Frau Freitag, können wir denn nicht rausgehen?«
    »Nö.«
    »Aber ist doch letzter Tag vor Wochenende.«
    Überall ist heute so eine Ferienstimmung – vor allem in mir. Unsere Hofaufsicht halten meine Kollegen und ich auf der Bank ab. Der ältere Kollege etwas widerwillig. Aber ich beruhige ihn: »Guck mal, ich latsche sonst auch immer rum. Aber heute können wir doch mal einfach nur hier sitzen. Wir gucken rum, und solange keiner schreit oder blutet oder irgendwas explodiert, bewegen wir uns nicht.« So sitze ich dann zwischen dem älteren und dem nicht ganz so alten Kollegen und quatsche mit ihnen über die Schüler, die vorbeilaufen: »Der ist doch auch nicht ganz schussecht, oder? Hast du den im Unterricht?«
    ADHS-Dschingis kommt vorbei, grinst mich an: »Hallo, Frau Freitag!«
    »Dschingis, warte mal, ich habe neulich bei einer Fortbildung deinen alten Lehrer Herrn Schmidt getroffen. Kannst du dich an den erinnern?«
    Dschingis ist erst seit ein paar Wochen an unserer Schule. »Meinen Sie den Alten mit der Brille?« Ich nicke.
    »Jaaa, Herr Schmidt, er ist voll Playboy.«
    Playboy … Herr Schmidt steht kurz vor seiner Pensionierung. Dann klingelt es, und wir beobachten die lieben Kleinen, wie sie in ihren Unterricht strömen. Der jüngere Kollege geht, der ältere und ich bleiben sitzen. »Ich habe fertig.«
    »Ich auch. Herrlich, oder?«
    »Jaaa,

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