Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
Vom Netzwerk:
Augenlieder?« Samira ganz aufgeregt: »Gucken Sie!« Sie schließt die Augen, da steht LOVE und auf dem rechten Lid YOU! »Wir haben gleich bei Herrn Blabla. Dem neuen Lehrer.«
    Dann soll der Schulleiter zu mir kommen: »Frau Freitag, Herr Blabla wird ihr neuer Stellvertreter. Der kommt auch mit auf die Klassenfahrt.« Ich sage betont gleichgültig: »Okay«, und denke sofort: Ach, wir können doch auch ein Doppelzimmer nehmen, dann kann Justin in ein Einzelzimmer, mit dem will sowieso niemand zusammenwohnen, weil er stinkt und klaut.
    Abends sitzen wir dann auf der Terrasse bei Wein und Zigarren, lauschen dem Schnarchen der lieben Kleinen und genießen die toskanische Sommernacht. »Ach, Frau Freitag, ich muss schon sagen, wie Sie die Klasse im Griff haben – meine Hochachtung. Von Ihnen kann ich noch viel lernen.« Ich erröte schweigend.
    Nur noch dreimal schlafen, dann lerne ich den Supertypen kennen.
    Aber halt, was ist, wenn ihn die Schüler gar nicht so toll finden, wie ich hoffe? »Wir wollen nicht bei Herrn Blabla haben, der hat Mundgeruch!« – »Der starrt den Mädchen auf den Arsch, ich schwöre.« – »Nein, ich schwöre, das macht der bei den Jungs. Der ist schwul.« – »Wir wollen keinen schwulen Lehrer. Meine Mutter sagt auch, dass schwule Lehrer nicht unterrichten dürfen.« – »Der ist Jude.« – »Ich schwöre, der ist aus Judistan, da sind die alle so scheiße. Mein Bruder hat auch gesagt …« – »Lass mal zum Schulleiter gehen, so einer darf hier gar nicht unterrichten …«
    Nein, nein, nein!!! So wird das nicht. So darf das nicht werden. So war es in den letzten zwei Jahren dauernd. Mir reicht das jetzt! Ich will einen jungen, talentierten, gutaussehenden, durchtrainierten, charmanten, hilfsbereiten, aufregenden, humorvollen, teamfähigen …
    »Ja, werden Sie denn nicht pädagogisch tätig, wenn jemand einen Lehrer, den er nicht mag, als Einwohner von Judistan bezeichnet?«
    Ich sage es mal ganz direkt: Arabische Schüler, aber auch türkische und eigentlich mittlerweile alle benutzen »Jude« als Schimpfwort. Dementsprechend ist die Unterstellung, jemand würde aus dem Fantasieort Judistan kommen, auch eine Beleidigung.
    »Ja, passiert denn da nichts gegen? Machen die Lehrer da nichts gegen? Was ist mit den pädagogischen Konsequenzen?«
    Als ich zum ersten Mal mitbekam, wie ein Schüler zu einem anderen »Jude« sagte, dachte ich ziemlich naiv, ich hätte mich verhört, und fragte deshalb nach. In den letzten Jahren habe ich unterschiedliche Reaktionen gezeigt. Hier eine kleine Auswahl:
    1. Möglichkeit: Das Wörtlichnehmen
    Einer macht oder sagt irgendwas, was einem anderen nicht gefällt. Reaktion: »Lass das, du Jude.« Ich dann: »Warum sagst du ›Jude‹ zu ihm?«
    »Weil er meine Stifte runtergeschmissen hat.«
    »Aber er ist doch gar nicht jüdisch.« An den anderen Schüler gewandt: »Du bist doch Moslem, oder?«
    »Ja.« Beide Schüler sind verwirrt.
    »Warum sagst du dann nicht: ›Lass das, du Moslem‹?« Das alles in einem warmen pädagogisch wertvollen Tonfall. Man redet so lange weiter, bis die Schüler sich genervt abwenden: »Ja, ja, schon gut.« Diese Methode zeichnet sich durch eine extrem kurze Nachhaltigkeit aus. Sie hält genau bis zum nächsten Konflikt.
    2. Möglichkeit: Das direkte Gespräch
    Man beobachtet in einer Lerngruppe, dass ein Schüler oder eine Schülerin ständig »Jude« als Beschimpfung benutzt. Nach dem Unterricht geht man zu ihm oder ihr und sucht das erzieherische Gespräch:«Sag mal, Ahmet, ich habe beobachtet, dass du immer ›Jude‹ zu deinen Mitschülern sagst. Warum tust du das?«
    »Weil die stressen.«
    »Okay, aber warum sagst du dann ›Jude‹? Hast du etwas gegen Juden?«
    »Ja, die sind alle scheiße.«
    »Kennst du denn jemanden, der einen jüdischen Glauben hat?« Reaktion: Der Schüler kennt natürlich niemanden. »Was hast du denn gegen Juden?«
    »Die haben unser Land weggenommen und Krieg gemacht.«
    »Aber das waren doch nicht alle Juden. Du meinst die Israelis.«
    »Na gut, dann eben die Israelis.«
    »Und das waren auch nicht alle israelischen Leute, sondern die Politiker. Also könnte man sagen, du hast etwas gegen die Entscheidungen der israelischen Politiker.«
    »Ja.«
    Diese Methode hört sich toll an, ist aber genauso wirkungslos wie die erste.
    3. Möglichkeit: Allianz mit den Kollegen
    Beim Studientag sah ich meine Chance. Es sollte im weitesten Sinne um Unterrichtsstörungen gehen, und natürlich ging es

Weitere Kostenlose Bücher