Chill mal, Frau Freitag
mich halt in den anderen Fächern mehr angestrengt. Ich wollte mir doch nicht von Leuten, die ich sowieso nicht leiden konnte, meine Zukunft versauen lassen. Ich wollte doch sagen: ›Hier guckt mal, ich hab trotzdem das Abitur.‹«
Die Schüler gucken betreten auf ihre Tische. Sie ärgern sich über ihre eigene Faulheit und merken, dass sie die erste Chance schon verspielt haben. Das erste Halbjahr ist gelaufen. Wenn sie sich jetzt nicht anstrengen, dann gibt es nicht mehr viele letzte Chancen.
Irgendwann klingelt es und ich sehe ihnen nach, als sie aus dem Raum trotten. Ob das nun was gebracht hat? Eines werden sie sich immerhin merken, nämlich dass ich meine Lehrer nicht mochte. Aber ich glaube noch an Wunder, sonst wäre ich bestimmt nicht Lehrer geworden. Vielleicht geht ja doch mal ein Ruck durch die Klasse, inshallah .
Mashallah
Jetzt mal was Positives, denn eine hat heute was gelernt in der Schule: Ich! Endlich weiß ich, was »mashallah« heißt beziehungsweise wann man das sagt. Ich liebe diesen Ausdruck, der hört sich gut an und spricht sich gut aus. »Verpiss dich« spricht sich leider auch immer gut aus, schafft aber Probleme, die einen über kurz oder lang in Erklärungsnot bringen können. Kleiner Tipp: Man sollte sich lieber ein gepflegtes: »Geh mal jetzt« angewöhnen und in der Schule ganz auf »Verpiss dich« verzichten.
Zurück zu »mashallah«. Gülistan malt ein schönes Bild, und sie ist offensichtlich auch selbst sehr zufrieden. Ich sehe das Bild, bin begeistert und sage: »Wow, das sieht echt toll aus!«
Kurz darauf sind dreckige Wasserspritzer auf ihrem Bild: »Gucken Sie, Frau Freitag, was Sie gemacht haben.«
»Das war ich doch gar nicht!«
»Nein, aber Sie haben mir ein Auge geworfen.«
»Häh? Ein Auge geworfen?«
Ihre Freundin mischt sich ein: »Ja, Sie haben gesagt, ihr Bild sieht toll aus, und darum ist das jetzt passiert. Sie haben ein Auge geworfen. Wenn Sie zum Beispiel einem Mädchen sagen: ›Deine Haare sehen toll aus‹, dann können dem Mädchen am nächsten Tag die Haare ausfallen. Das heißt ›ein Auge werfen‹. Wie bei Samira aus Ihrer Klasse: Wenn Sie sagen, sie benimmt sich gut, dann kann es sein, dass sie in der nächsten Stunde bei einem andern Lehrer stört und der sie rauswirft.«
Das mit Samira ist mir auch schon aufgefallen. Ich sage: »Das heißt aber dann, dass ich gar nicht mehr loben darf, weil dann immer was passiert, oder?«
Gülistan: »Nein, nein, Sie können ruhig was Nettes sagen, aber Sie müssen danach ›mashallah‹ sagen, dann ist das mit dem Auge wieder weg.«
»Ah, jetzt weiß ich endlich, was das heißt.« Fröhlich gehe ich den Rest der Stunde durch den Raum: »Sieht gut aus, mashallah .« – »Toller Pulli, mashallah .« – »Ihr habt heute gut gearbeitet, mashallah .«
Man lernt doch nie aus, vor allem nicht als Lehrer, MASHALLAH !
Tag der offenen Tür
Wenn man wie ich seinen Beruf so sehr liebt, dass man ihn auch in der Freizeit nicht missen möchte, umarmt man den Erfinder des Tags der offenen Tür. Tage der offenen Tür an Schulen geben Vollblutpädagogen wie mir die Möglichkeit, sich wenigstens einmal im Jahr auch abends oder am Wochenende in der Schule aufzuhalten. Wenn es nach mir ginge oder nach Frau Dienstag, gäbe es in allen Ferien die Verpflichtung, offene Sprechstunden in der Schule abzuhalten. Für ganz Hartgesottene wahlweise auch freiwilligen Unterricht und Aufsichten. Die Aufsichten könnte man in den öffentlichen Raum verlegen. Einkaufszentren oder Knotenpunkte des Personennahverkehrs böten sich an.
So weit sind wir leider noch nicht, und deshalb begnüge ich mich vorerst mit den Tagen der offenen Tür. Für Nichtlehrer und Nichteltern: Ein Tag der offenen Tür bietet interessierten Eltern die Gelegenheit, sich Schulen anzusehen. Jede Schule bereitet sich auf diesen Schülerfang gut vor: Da werden Kunst-arbeiten gerahmt und Plastiken ausgestellt, da tanzen, singen und kickboxen die Musterschüler (den anderen ist der Besuch der Schule an diesem Tag untersagt). Da wird im Chemiebereich geköchelt, im Physikraum sich herabbewegende Masse berechnet, interaktive Whiteboards können bestaunt werden, Mütter reichen Kaffee und hausgemachtes Allerlei. Die Schule wirkt wie eine Riesenspaßfabrik. Man würde sich nicht wundern, wenn hier wöchentlich Schaumpartys stattfänden.
Die zu umwerbenden Schüler sollen begeistert rufen: »Hier will ich hin. Ich will mir auch so eine schöne Handytasche nähen. Ich
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