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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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bieten. Sie murren, wiegeln ab und lassen dann doch die Einführung über sich ergehen. Als ich das Material verteilt habe, fragt Erol: »Frau Freitag, haben Sie einen Bleistift?«
    Mittlerweile bin ich schon längst kein Frühling mehr, sondern notiere mir in meinem Notenheft, dass Erol WIEDER keinen eigenen Bleistift dabei hat. Er sieht das, leiht sich einen Bleistift und verlangt, dass ich den Eintrag streiche. Ich betone, dass er keinen EIGENEN Bleistift hat. Er schmeißt den geliehenen Bleistift in den Mülleimer, geht laut meckernd an seinen Platz und schmollt.
    Irgendwann ist auch dieser Schultag vorbei. Ich schleppe mich schlechtgelaunt nach Hause, nehme eine Aspirin und stelle frustriert fest: Ein Sonnenstrahl macht wohl doch noch keinen Frühling.
    Der Lehrer und der Samstag
    Und nach fünf Tagen darf ich endlich wieder zu Hause bleiben. Der Lehrer ist am Samstag müde, weil er am Freitag noch dachte: Jetzt beginnt ein neues Leben – das Wochenende. Am Freitagnachmittag dreht der Lehrer immer voll auf. Statt sich auszuruhen und aufzuräumen, quatscht er sich die Woche von der Seele und läuft hochtourig überdreht in den frühen Abend. Da will der Lehrer dann die Freizeitaction, auf die er die ganze Woche verzichtet hat. Plötzlich will der Lehrer leben.
    Er telefoniert mit allen drei Leuten, die er noch kennt. Die Hälfte von denen sind auch Lehrer. Dann raucht und trinkt der Lehrer und labert und labert. Obwohl er nur so wenige Freunde hat, verprellt er diese auch noch, indem er sie beim Pokern gnadenlos verlieren lässt und sich dann so lange in seinem Sieg suhlt, bis sie genervt das Lehrerdomizil verlassen.
    Alleine bleibt der Lehrer in seiner unaufgeräumten, dafür enorm verrauchten Wohnung zurück und kann nicht einschlafen. Er wälzt sich von links nach rechts und denkt über sich, sein Leben und seine Pokerstrategien nach. Klar gewinnt er beim Pokern. Blufft er sich doch auch täglich durch seinen Beruf.
    Samstagmorgen wacht der Lehrer auf und fühlt sich extrem unausgeschlafen. Anstatt wie in der Werbung im Bett zu frühstücken und die Zeitung zu lesen, setzt sich der Lehrer gleich wieder vor den Fernseher und raucht. Erste Anzeichen von Verwahrlosung. Der Lehrer bildet sich allerdings ein, dass er mit dieser Hartz-IV-Lifestyle-Imitation seiner Klientel näherkommt, Professionalisierung nennt er das. Kopfschmerzen und leichte Übelkeit befallen ihn dort auf der Couch. Er fühlt sich wie ein Entschuldigungszettel seiner Schüler. Draußen nervt die Sonne, die dem Lehrer suggeriert, dass er den ersten Frühlingstag und überhaupt den ganzen Frühling versäumen wird, wenn er sich nicht sofort auf die Straße begibt.
    Draußen sind überall zufriedene Kleinfamilien oder gutaussehende Singlemenschen, die sich geschäftig durch den Vormittag bewegen. Zielstrebig und glücklich, denn sie haben bestimmt alle noch super Nachmittagspläne, bevor sie dann auf ihre Megasamstagnachtpartys gehen.
    Der Lehrer schleicht einsam um ein Parkhaus und denkt: Spazierengehen, Spazierengehen, Spazierengehen, Vitamin D, Vitamin D, Vitamin D. Heimlich wünscht er sich Regen, damit er sich wieder in seine verrauchte Bude verziehen kann. Ein elender Wettersklave ist er geworden.
    Zu Hause denkt er: Essen, Rauchen, Couch und schläft erschöpft vom Nichtstun ein. Erwacht, und der Tag ist vorbei. Man versteht eigentlich nicht, warum sich der Lehrer immer wieder so übertrieben auf das Wochenende freut, wenn er dann mit dem Samstag doch überhaupt nichts anzufangen weiß. Und nach dem Samstag kommt ja auch noch der Sonntag. Wäre der Lehrer religiös, hätte er wenigstens an diesem Teil des Wochenendes weniger Probleme.
    Gar keine Probleme hätte ich, wenn ich Fachbuchredakteur wäre. Ich arbeite in einem Schulbuchverlag und bin für die neuen Deutschbücher der Realschulen zuständig. Ich schlafe erst mal gemütlich bis acht und mache mich dann gut gefrühstückt auf den Weg in die Redaktion. Dort ist es nett, sonnig, alles sehr modern. Ich begrüße die Sekretärin, die mir die Post und einen Kaffee reicht. Dann schlendere ich in mein Büro.
    Großer Schreibtisch, voll mit herrlichstem Bürokram, und ein super Computer mit vielen bunten Post-its am Bildschirm. Erst mal E-Mails checken, Kaffee trinken, Termine angucken. Was steht denn heute an? Meine Lieblingskollegin kommt rein und erinnert mich an das Meeting um 10.30 Uhr im kleinen Konferenzraum. Bis dahin blättere ich in den neuen Ausgaben der Fachzeitschriften,

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