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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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verfolgen konnte.
      Später, als das Schiff längst abgelegt hatte, wagte sich Lux aus seinem Versteck hervor. Der Raum war zu einem Viertel leer geblieben, die Leute standen oder lümmelten meist am Geländer und blickten auf die Ufer.
      Lux fand eine kleine Lücke und tat es ihnen nach. Und er empfand es als ganz wundervoll, so fast lautlos dahin zu gleiten, auf das saftige Grün, die prächtigen Häuser, auf vorbei huschende Autos, Menschen und Tiere zu blicken und nichts dazutun zu müssen. Sein Wohlgefühl wäre perfekt gewesen, hätte sich nicht der Hunger immer penetranter gemeldet.
      Dann traten zwei junge weibliche Menschen zu ihm. „Was bist denn du für einer?“, fragte die eine, und sie sah sich um, ob sich jemand entdecken ließe, zu dem das Tier gehört.
    „Der Schiffshund“, rief ein älterer Mann und lachte.
      Das Mädchen fuhr Lux mit der Hand ins Nackenfell. „Schau mal, Lucie, was der für eine komische Frisur er hat. Bald wie dein Bruder Manfred.“ Sie lachten.
      Lux sah keine Gefahr. Die Berührung empfand er als sehr angenehm. Und als die Mädchen später auf einer der Bänke Platz nahmen, legte er sich zu ihren Füßen, als gehöre er zu ihnen. Was er allerdings bedauerte, war, dass sie nicht das geringste Essbare zu sich nahmen, er also nicht auf eine Beteiligung hoffen durfte.
      Das Schiff legte mehrmals an. Leute stiegen aus und ein, die beiden jungen Frauen aber blieben, und so blieb auch Lux. Nach außen hin entstand tatsächlich der Anschein, als reisten die beiden mit einem Hund.
      Doch dann hieß es für Lux abermals, sich zu entscheiden. Seine beiden Auserwählten machten Anstalten, das Schiff an der nächsten Anlegestelle zu verlassen.
      „Machs gut“, sagte die eine, und beide tätschelten ihm zum Abschied den Rücken.
      Nur einen Augenblick zögerte Lux, dann folgte er den Frauen zum Ausstieg. Er wartete auf eine Lücke zwischen den die Brücke passierenden Leuten und flitzte an Land.
      „Da ist er ja wieder“, rief der nämliche Mann vom Personal, dem Lux schon beim Betreten des Schiffes aufgefallen war. „So ein Frechdachs – hat’s als blinder Passagier geschafft. Das habe ich auch noch nicht erlebt!“
      Im gehörigen Abstand folgte Lux den beiden jungen Frauen, warum, hätte er nicht zu sagen vermocht. Sie wanderten flott durch das Städtchen, später ging’s bergauf durch Wald auf einem sehr begangenen Steig.
      Wenn ihm eine größere Menschenmenge entgegenkam, wich Lux ins Gehölz aus.
      Der Weg dehnte sich in die Länge, wurde steiler. Er mündete schließlich auf einen Platz, von dem unmittelbar klobige Felsen und auf diesen, mit ihnen baulich verbunden, mächtige Mauern in den Himmel emporragten.
      An einem etwas abseits stehenden Häuschen stauten sich die Menschen. Lux buchstabierte: „Preise“. Er wusste, dass auf dieser Welt fast alles etwas kostete – was gab es hier?
      Eine große Tafel stand da. Lux las: „Lageplan der Festung“. Er beobachtete scharf. In das Häuschen reichten die Leute Geld und bekamen kleine Papiere dafür, und mit diesen betraten sie einen gepflasterten Weg, der an den Felsen entlang nach oben in die Mauern führte oder sie gingen an einem niedrigen Bau vorbei, aus dem ein verführerischer Duft stieg, zu einem Torbogen. Lux folgte ein Stück, und er gewahrte, wie sich am Ende eines kurzen Tunnels ein metallisches Tor zur Seite schob, eine Anzahl Menschen durch dieses schritten und es sich wieder schloss. Ein Lift, erkannte er, wie im Institut, nur geräumiger.
      Lux sah sich nach den Frauen um. Sie verschwanden gerade auf dem Weg nach oben hinter einem Felsvorsprung. Er folgte.
      Sie kamen durch mehrere mächtige Tore, durchschritten einen steil nach oben führenden dunklen Raum und landeten schließlich auf einem Plateau mit vielen größeren und kleineren Bauwerken.
      Ein Menschenpulk hatte sich gebildet, die beiden Verfolgten mitten unter ihm, und ein Mann erläuterte den Besuchern, was sie sahen.
      Lux drückte sich an eine Mauer und hörte eine Weile zu. Er verstand inhaltlich längst nicht alles, was jener erzählte, zum Teil mit Worten, die er noch nie gehört hatte – wie Kaserne oder Kasematten, Zeughaus und Munitionslager. Er fand es alsbald langweilig und strich erkundend durchs Gelände. An einer niedrigen Mauer mit Lücken darin blickte er nach unten und erschrak förmlich: In schwindelnder Tiefe schlängelte sich der Fluss. Häuser und Schiffe, hingetupft

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