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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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als Winzlinge im strotzenden Grün des Tales, gegenüber klotzige, aus der Ebene ragende Felsen, bildeten ein wundersames Panorama. Über allem drohte unmittelbar neben Lux eine große Kanone, ähnlich jenen, die er bereits auf Bildern gesehen hatte.
      Dann spürte Lux den scharfen Wind, und mit dem Kälteempfinden meldete sich auch der Hunger wieder.
      Entfernt bewegte sich langsam die Menschengruppe von einem der Häuser zu einem anderen – dazwischen der orangefarbene Blouson der Frau, die Anita hieß.
      Lux verließ das Plateau auf dem gleichen Weg, auf dem er gekommen war. Unten stieg ihm erneut der Duft des Imbissstandes in die Nase. Er pirschte sich heran. Nur wenig Leute standen da an Tischen, tranken oder – was ihn mehr interessierte – aßen Würste mit Semmeln.
      Lux setzte sich auf die Hinterläufe und sah mit hängender Zunge zu. Ein halbwüchsiger weiblicher Mensch reichte ihm ein halbes Brötchen und wurde von einer Frau angeherrscht: „Lass das! Das ist ein Streuner. Der hat vielleicht Tollwut und Flöhe sowieso.“
      „Woher willst du das wissen?“
      „Weil er kein Halsband, keine Marke hat, Mensch!“
      Lux Hunger war größer als der Ärger über die abermalige Demütigung. Er verließ seinen Platz, setzte sich jedoch am anderen Ende der kleinen Tischreihe wieder in Positur.
      Ein Mann kam vom Tresen zu einem am Rande stehenden Tisch, stellte einen Becher und eine Pappschale ab, auf der sich eine lange, in eine Semmel eingeklemmte Wurst befand. Dann ging er zurück, offenbar, um zu bezahlen. Lux sah seine Chance. Er richtete sich am Tisch auf, schnappte Semmel mit Wurst und war mit wenigen Sätzen im Wald verschwunden. Nichts hinter seinem Rücken deutete darauf hin, dass man ihn bei seiner Dieberei bemerkt hatte.
      Im Wald, in ausreichender Deckung verzehrte er heißhungrig seine Beute und trat dann, einigermaßen zufriedengestellt, den Weg hinab zum Städtchen an.
      Es dunkelte bereits, als er ankam. Unentschlossen verharrte er am Waldrand und schaute auf die Straße.
      Lux wurde müde.
      Ein Schuppen hinter einem niedrigen Zaun stand da. Aus seiner halb offen stehenden Tür lugten Strohbündel. Lux entschied sich, dort seine erste Nacht in Freiheit zu verbringen.

    G egen Mittag des zweiten Tages, nachdem Lux verschwunden war, meldete der Leiter des von Lehmann zusätzlich eingesetzten Suchtrupps,
    man habe den Gesuchten aufgespürt, ihn betäubt und er liege nun unweit des Haupteinganges der Ausstellungshalle am Botanischen Garten und werde bewacht. Beeilung täte Not, das Mittel wirke nur zwanzig Minuten.
      Shirley Lindsey, die sich zum Zeitpunkt des Rufes in der Nähe des Hauptbahnhofes befand, verständigte sich mit Boris Remikow, dessen Abstand zum Fundort geringer war, und sie eilten der Sicherheit wegen und eingedenk des Verkehrsgeschehens beide der gemeldeten Stelle zu. Sie kamen fast gleichzeitig an, Boris atemlos gerannt vom nahegelegenen Parkplatz. Shirley hatte das Auto ordnungswidrig an der Halle abgestellt. Sie trafen sich am Eingang und hatten ihren Mann etwa 50 Meter entfernt an einem Gebüsch schnell erspäht. Sie eilten dorthin. Der Mann zeigte auf einen ausladenden kriechenden Wacholder. An dessen Rand lag der braungraue Körper.
      Im Laufschritt erreichten Shirley und Boris diesen.
      Der Mann hob die Hand und rief: „Vorsicht, er ist ansteckend!“
      Aber noch bevor Shirley, einen Meter vor Boris hastend, den Hundekörper erreicht hatte, stoppte sie unvermittelt und blieb sichtlich enttäuscht stehen. „Es ist nicht Lux“, keuchte sie atemlos. „Er ist es nicht!“
      Boris beugte sich über den Hund, hob dessen Kopf, ließ ihn zurückgleiten, richtete sich auf und zuckte mit den Schultern.
      „Er ist es nicht“, informierte Boris Remikow den Mann vom Suchtrupp, als sie bei ihm angekommen waren.
      „Weitersuchen!“, ordnete Shirley Lindsey müde an.
      „Das ist schlimmer, als die berühmte Nadel im Heuhaufen…“
      „Ich weiß“, unterbrach Shirley grantig. „Trotzdem.“
      Das Mobiltelefon der Frau meldete sich.
      „Haben Sie ihn?“, fragte Lehmann drängend. Offenbar hatte auch er die Meldung über das vermeintliche Auffinden Lux’ bekommen.
      „Nein. Ein ähnlich Aussehender.“
      „Dann begeben Sie sich unverzüglich in die Schillerstraße. Dort ist er gestern gesichtet worden. Hören Sie zu:“ Lehmann verlas die Zeitungsnotiz. „Es dürfte ja nicht allzu schwer sein,

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