Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:

Als die besorgte Oma die kleine Lena warnte, er könne
beißen, hätte der Hund laut und vernehmlich gesagt: ,Ich
beiße nicht’, worauf die Frau in Panik geflüchtet ist. Der
sofort herbeigerufene beherzte Friseurmeister Krause
(Name ebenfalls geändert d.R.) konnte von dem Tier
keine Spur entdecken. Klein-Lena allerdings behauptete,
es sei der Märchenwolf von Rotkäppchen gewesen. ,Er
war aber ganz lieb’ Hat Oma Schmidt in der letzten
Zeit zu viele Fantasy-Filme gesehen?“

    L ux verstand die Welt nicht. ,Das Kind streichelt mich und die Frau gerät in Panik, dass sie sogar ihre Aufsichtspflicht vergisst. Wenn ich nun wirklich bissig wäre. Sie hat mir das Kleine überlassen!’
      Nach einigen hundert Metern hatte er sich beruhigt, und er ging langsam mit gesenktem Kopf an den Häusern entlang, wich den nun zahlreichen Fußgängern, so gut es ging, aus, und er gewöhnte sich rasch an die ängstlichen Reaktionen der meisten bei der Begegnung.
      Hunden ging er aus dem Weg. Einmal überquerte er sogar die Straße und wäre beinahe unter ein Auto geraten. Ein penetrantes Quietschen gab Lux den Impuls, sich mit einem gewaltigen Satz auf das Trottoire zu retten. Der Fahrer sah böse und kopfschüttelnd zu ihm herüber.
      Die Straße führte dann an einer hohen Mauer entlang bergab. Es gab keinen Bürgersteig mehr, und des dichten Autoverkehrs wegen hieß es, höllisch aufzupassen.
      Dann war da ein Platz, auf dem ein chaotisches Gewühle herrschte. Ein betäubender Lärm misshandelte die Ohren, und ein penetranter, stechender Gestank verpestete die Luft. Von allen Seiten fuhren Fahrzeuge, liefen Leute. Aber jenseits dieses Platzes witterte Lux Wasser, und wenn er sich nicht täuschte, sah man es da und dort aufblitzen zwischen all dem, was sich da bewegte.
      Gewarnt von der Begegnung mit dem Auto, wagte Lux nicht, in diesen Spektakel einzutauchen und den Platz zu überqueren. Er setzte sich in einem Hauseingang auf die Treppe und beobachtete. Nach einer Weile glaubte er, im Verhalten der vielen Fußgänger ein System entdeckt zu haben. Ab und an überquerten viele auf einmal die Straßen, und die Fahrzeuge blieben vor ihnen respektvoll stehen. Alsbald durchschaute er das Phänomen: Von einer Lampe wurde es ausgelöst, die in mehreren Farben leuchten konnte. Wurde sie grün, liefen die Leute. Nach einiger Zeit, in der sich Lux vergewisserte, dass dem so war, schloss er sich dreist einer dieser Passantengruppen an, wartete mit dieser und lief mit ihr.
      Jeglicher Gefahr entronnen, erreichte er mit mehreren Sprüngen, erleichtert und auch ein wenig froh, etwas gelernt zu haben, das Flussufer rechts von einer gewaltigen, aus dickem Eisengitter bestehenden Brücke, über die der Verkehr rollte.
      Über den groben Uferkies hüpften kleine Wellen. Da hinein tauchte Lux seine Zunge, und er schleckte mit Behagen das kühle Nass.

    Im leichten Luftzug war da ein Ruch, das Odeur eines Artgenossen. Lux hob langsam den Kopf.
      Der andere stand wenige Meter neben ihm, vom Wasser etwas entfernt, ein hochbeiniger gelblicher, unterernährter großer Mischling mit spitzer Schnauze und buschigem Schwanz, ein junger Rüde.
      Als Lux ihn ansah, machte der unvermittelt einen Satz nach hinten, indem er mit allen vier Beinen gleichzeitig abhob. Darauf legte er sich nieder, stand wieder auf, kam einige Schritte Schwanz wedelnd näher.
      ,Ein dummer Hund, ein sehr dummer’, dachte Lux und ging die Uferböschung, die an dieser Stelle allerdings recht schmal war, einige Schritte nach oben.
      Der andere folgte mit albernen Sprüngen und merkwürdigen Verrenkungen: Die vorderen Läufe vorgestreckt, so dass der Kopf den Boden berührte und die hinteren im Stand. Als der Rüde näher kam in der Ab sicht, Lux’ Hinterfront zu beschnuppern, wurde dieser ausfällig. Er knurrte den Aufdringlichen an, der zwar ein Stück zurückwich, aber sogleich einen neuen Annäherungsversuch startete. Da biss Lux zu. Er erwischte dessen linken Vorderlauf. Der andere jaulte auf, Lux ließ los, und jener ergriff mit eingezogenem Schwanz die Flucht.
      Lux kuschelte sich an einen kleinen Busch an der Uferbefestigung. Er spürte Hunger.
      Die Erfahrung mit der farbigen Lampe hatte ihm einige Sicherheit gegeben. Der in Lux’ Unterbewusstsein immer einmal wieder aufflackernde Gedanke, unverzüglich ins Institut zu Shirley zurückzukehren, war zunächst verdrängt. Aber wie es weitergehen könnte, das sich auszudenken,

Weitere Kostenlose Bücher