Cholerabrunnen
sicher, aber sie hat eh’ nicht zu viel zu sagen… bei ihm. Er grinst zum dritten Mal. Dann klingelt das Telefon. Wer stört ihn, wenn es ihm gerade so richtig gut geht?
Er hebt ab. Erst ist da ein Schnaufen. Musste vielleicht jemand zur Telefonzelle laufen? Gibt es die noch? Ja, irgendwo sah er letztens erst eine. Dann wird es ihm zu bunt.
„Hallo, wer stört?“
Noch immer Stöhnen und Keuchen.
„Ich lege gleich auf!“
Ein Quieken kommt hinzu und langsam glaubt er nicht mehr an einen Scherz, schaut auf die Nummer. Unterdrückt. Die mag er vielleicht! Nein, den da lässt er ihn nicht weiter ärgern…
Klick… nun ist Ruhe.
Die Chips sind noch lange nicht alle. Seine Frau holt sich das vierte Weinglas. Er trinkt das dritte Bier. Immer noch denkt er über die Zapfanlage nach, aber auch über den Anruf. Wenn es einer seiner Kumpane gewesen wäre, meldete der sich sicher gleich wieder und schüttet sich am Telefon über den gelungenen Witz aus. Doch nichts geschieht. Das stimmt ihn nachdenklich. Es war mit Sicherheit nicht ‚falsch verbunden’! Was sollte das?
„Kann ich noch Chips?“
Er fährt auf, lässt gleich sein Glas fallen. Erschrocken schaut seine Frau zu ihm.
„Du schaust aus, als wenn Du einen Geist siehst!“
Hmm… na ja, also… eigentlich braucht er sie nur eine Weile anzusehen. Trotzdem ist er erschrocken über ihre Stimme… sie war so real nach diesem verrückten Anruf.
„Ähm… ja, aber die sind alle. In der Küche sind noch welche.“
Sie zieht die Augen hoch. Er weiß… irgendwann ist er so fett, wie der Dicke. Und da der nun tot ist, kann er ihm nicht einmal mehr wirkliche Konkurrenz machen. Hmm… er wird sich bessern. Sie schaut nicht zu ihm, steht nur auf, wankt hinaus. Der Wein ist nicht zu schwach. Sie sollte aufpassen. In ihrem Alter ist zu viel Alkohol je Tag auch nicht gut. Wer weiß… sie wird es merken und er kann sie dann pflegen. Zumindest, wenn sie es nicht mehr merkt. Nun lächelt er schon zufriedener. Manchmal ist Veränderung auch nicht schlecht.
Es klingelt. Wieder das Telefon. Er erschrickt und schaut nach der Nummer. Die kennt er zwar nicht, aber sie ist zumindest nicht unterdrückt. Missmutig nimmt er ab, fühlt sich wie auf der Post.
„Ja? Ach, Rolf… hmm… um diese Zeit… woher rufst Du denn an? Ach so, nichts zur Sache… na ja gut. Was ist los? Ja, ich weiß… kein Klartext. Na klar. Hmm… also, ich habe keine Ahnung. Glaube, der Kohlert hält sich zu gerne bedeckt. Ja, kannst Du wissen…“
Er schluckt. Der Kerl klingt einen Moment lang zumindest genauso, wie der Keucher von eben. Sollte er es vielleicht gewesen sein? Dieses Gerede… na ja, vielleicht will er sich nur… selbst schützen? Oder einmal seine Macht zeigen?
Macht… wer hat hier neben ihm Macht? Der Mauersberger auf keinen Fall mehr! Er schluckt.
„Warum rufst Du eigentlich an? Ja, ist spät. Ich will schlafen gehen. Habe morgen einen schweren Tag. Nein, interessiert mich wirklich nicht. Ach was, die haben doch nichts gegen uns in der Hand! Ja, leg Dich hin und geh’ mir nicht auf den Sack!“
Er legt auf. Schon klingelt das Telefon wieder. Kapiert der es nicht oder was ist da kaputt? So ein Idiot! Nein, nein… das ist er nicht. Entgeistert schaut Schnittge zum Hörer. Unterdrückt und Keuchen.
Kapitel 1 – Konspirative Flüstereien
„Darum wurde heute beschlossen, dem Antrag der Initiative ‚Wiederaufbau Dresdner Frauenkirche’ stattzugeben und die Baumaßnahmen nach den jetzt vorliegenden und geprüften Plänen zu genehmigen. Weitere Einzelheiten werden in den nächsten Tagen bekannt gegeben.“
Schockstarre bei einigen Dresdnern. Der Jubel der Begeisterten hält sich ebenso in Grenzen. Zu lange schon kämpften die einen dafür, lehnten die anderen es ab.
Rolf Mauersberger steht am Fenster und schaut auf die Stadt hinunter. Der Blick ist herrlich. Er wusste, dass dieser Tag kommen wird. Er flucht zwar in sich hinein, denn ein klein wenig Hoffnung war bis zum Schluss da, dass man sich an den betreffenden Stellen der Meinung aus alten DDR-Zeiten anschlösse, ein Mahnmal wäre eben eine bessere Idee, als eine wiederaufgebaute Kirche, die man sogar nach Aussagen des Landesbischofs nicht brauche. Trotzdem… in den vergangenen Jahren veränderte sich zum Glück soviel. Das hier brauchte er wahrlich nicht, aber wenn es schon sein muss… na ja.
Langsam geht er hinüber zum alten Kupferstich. Eine schöne Arbeit. Der Großvater erwarb den Druck schon vor
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