Cholerabrunnen
Wahnsinn. Noch einen Toten unter dem Neumarkt braucht die Welt nicht. Man fand einige Gebeine… ältere. Sogar das Grab des Erbauers der Kirche war dabei… an der Kirche. Also auch auf dem Neumarkt, wenn man es so will.
Tote mitten in der Stadt… er sitzt da und prüft mit dem Lot die Tiefe. Dann bedient er das GPS-Gerät und versucht, die richtige Richtung zu bestimmen. Mauersberger korrigiert dann die Arbeiter unten im Schacht. Einer fragte vorhin, ob er nicht lieber einmal einen Moment oben schauen dürfte… nein, sagte der Chef, wie sich Mauersberger nun nennen lässt, was Schnittge gar nicht passt, nein, denn sie würden auch nicht schauen. Damit hat er zumindest recht.
„So, noch ein halber Meter… mehr ist das nicht. Und dann sind wir am Durchbruch.“
Mauersberger geht zu der Kiste, die er ins Zelt hat stellen lassen. Schnittge dachte, darin wären die Werkzeuge, doch die kamen extra von der Ladefläche. Jeder der Arbeiter hatte seines schon bei sich.
Nun macht er die Kiste auf. Die Arbeiter stecken alle unten und vertrauen auf die beiden alten Männer, die das Kommando führen. Schon einmal arbeiteten zwei von ihnen mit denen zusammen. Ist ein paar Jahre her. Der Rest ist nicht mehr bei Heber beschäftigt. Manche starben und einige zogen aus Dresden fort. Das ist das Leben.
„Hier… falls die nicht spuren!“
Aus einem öligen Tuch zaubert Mauersberger zwei Revolver hervor. Schnittge fällt bei deren Anblick fast hinten über. Dann wäre zumindest das Zelt kaputt und das GPS-Gerät müsste neu justiert werden. Er hält sich aber noch tapfer vor dem Crash.
„Bist Du verrückt?“, tobt Schnittge und Mauersberger antwortet nicht, hält ihm den Revolver weiter unter die Nase.
„Ist geladen. Wie man ihn spannt und abfeuert, weißt Du ja.“
Woher? Ach, der alte Militärdienst und die Bücher, die noch bei ihm zuhause stehen, von denen er sich nicht trennen konnte. Mauersberger jetzt zu erklären, dass es ihm um die Ästhetik und Schönheit, die Funktion und Technik der Waffen geht, aber nicht um deren Benutzung, scheint müßig. Er greift zu. Wenn der da eine Waffe in der Hand hat, nimmt er doch lieber eine. Wer weiß… da draußen Tausende… und sie mitten im Sicherheitskreis mit Revolvern… und einer der verrücktesten Missionen, die es überhaupt geben kann. Er schluckt, prüft die Trommel, spannt und entspannt den Hahn.
„Sag mal, spinnst Du jetzt total? Holger, lass die Finger von diesem Mist! Wenn das rauskommt, reißt Du nicht nur Dich, sondern uns alle runter, verstanden?“
Weinert tobt und springt herum. Er bereitet sich gerade auf die Vorstellung seines neuen Buches vor und musste sich schon im Vorfeld anhören, was er für ein Trottel wäre, wie wenig es die Menschen in Dresden interessiere, wie er einige Dinge sieht und dass man endlich Ruhe haben wolle. Natürlich konnte nur Engelhardt dahinterstecken, aber das interessiert ihn weniger. Jetzt hat man ihn öffentlich gedemütigt und er wird zurückschlagen. Nur… wenn man solch einen Sohn hat, braucht man auch keine Feinde… verdammt, was denkt sich der Junge nur?
„Nun reg’ Dich mal wieder ab, ja? Machen doch alle. Und das ist auch noch ganz einfach. Ein paar billige Dinger geholt, dann einen guten Farbdrucker, etwas starken Leim, dazu noch Lack und ein paar Kästchen. Sieht doch perfekt aus, oder? So etwas Schönes bekommt man eben nur bei mir. Mit Echtheitszertifikat. Echte Farbmünzen. Und auch noch von der Frauenkirche. Bist Du es nicht immer, der dieses Ding mag, laufend dort herumschleicht?“
Herumschleicht… quatsch!
„Ich schleiche nicht!“
Sein Sohn lacht.
„Ja, klar…“
Klatsch. Er schlug seinen Sohn noch nie. Heute aber musste es einfach einmal sein. Der denkt glatt, er kann sich über den Vater lustig machen. Und das auch noch, während diese blöde Weihe läuft. Holgers Freunde sind zu sehen, wie sie mit Bauchläden zwischen den Besuchern herumlaufen und genau solche Münzen verkaufen. Alles Fälschungen. Wie man dazu ein Zertifikat erstellen kann? Nun, Papier war schon immer geduldig und er wunderte sich, wozu Holger alle paar Tage neuen Toner und vor allem noch viel mehr Papier brauchte. Den anderen Kram, wie angegebenen Leim und Lack, den bekam er gar nicht mit.
Vorsichtig greift er nach einer der Münzen. Er wollte nur nach einer Schere suchen, wunderte sich schon, dass sein Sohn zuhause war und nicht in der Schule… zwölfte Klasse… na ja, seine Frau ist jung, er kann sich eben
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