Cholerabrunnen
zumindest sollte er allen Möglichkeiten nachgehen. Er stellt sich schon zum Gehen an die Tür, als Marcus Freundin ihm hinterherruft, was er noch wissen wollte und sollte. Er nickt nur, nimmt es zur Kenntnis. Manches muss man sich erst einmal setzen lassen.
„Sie spinnen doch, Behringer! Das ist Schwachsinn und Sie werden mir sicher nicht noch mehr von all diesem Kram erzählen! Vollidiot!!“
Dermaßen aus dem Häuschen war sein Chef noch nie. Es ist auch… es ist einfach nicht wahr und doch wurde es ihm aufgetischt, angeblich von Marcus Wagner an seine Freundin gegeben und vorher durch seine Mutter auf ihn übertragen, wobei er doch gar nichts wusste. Niemand in der Familie, bis sein Großvater, vermeintlicher Großvater muss man jetzt sagen, auf dem Sterbebett lag und nichts anderes zu tun hatte, als eben diese ‚Wahrheit’ seiner Tochter… Ziehtochter mitzuteilen. Mann, denkt er. Starker Tabak!
Einen halben Tag brachte er dann in der Landesbibliothek zu und musste sich dabei mehrfach bei den dortigen Angestellten ausweisen, da er alle möglichen Richtlinien umschiffte und an brisantes Material über Dresden und hiesige Persönlichkeiten aus der NS-Zeit heran wollte, das der Normalsterbliche nur in Abstimmung mit obersten Stellen einsehen darf. Auch heute… oder vielleicht gerade heute?
„Sie sagen mir in einem Atemzug, diese Familie hatte offiziell keine Kinder, und doch soll dieser Marcus ein Nachfahre… also der Enkel von denen sein? Kaum zu glauben!“
Er glaubte es auch nicht. Und in den Unterlagen konnte er einfach nichts finden. Kinderlos blieb diese Ehe. Ganz klar. Und daran wird auch jede andere Darstellung nichts ändern. Nicht den Hauch einer Chance hätten angebliche Nachfahren, ihre Verwandtschaft heute noch zu beweisen, oder…? Vielleicht über nahe oder weiter entfernte Blutsverwandte? Hmm… Behringer ist sich nicht sicher. Die angeblichen Eltern von Frau Wagner verstarben… gewaltsam. Er sogar in Russland, in der Lubjanka in Moskau, dem berüchtigten Geheimdienstkeller. Sicher bewahrte man seine Überreste nicht für mögliche Vergleiche auf? Damals erahnte man nicht einmal, eines Tages mittels DNS-Analyse Verwandtschaftsbeziehungen nachweisen zu können. Außerdem wollte man die besiegten Feinde am liebsten allesamt auslöschen und aus der Geschichte radieren. Durch die Streitereien der Alliierten war dies bis heute nicht möglich. Gut? Schlecht? Egal… Den Kommissar interessiert es nicht. Marcus Wagner versuchte anscheinend nicht, der Sache auf den Grund zu gehen. Vielleicht war er zu geschockt, als seine Mutter ihm dies eröffnete? Für ihn war der Großvater eben der, der damals während seiner Klausur verstarb. Der andere… hatte bisher keinen Bezug zu seinem Leben. Kann das jedoch heute ein wirklicher Grund dafür sein, dass er sterben musste? Und wenn ja, warum?
„Nein, Behringer, nein, ich will das nicht noch einmal hören! Marcus Wagner war nie und nimmer ein Enkel des Gauleiters von Sachsen… Quatsch! Mutschmanns hatten keine Kinder!“
Mauersberger löste die Zusammenkunft eben auf. Natürlich ging er unter diesen recht haarsträubenden Umständen nicht noch mit ihnen essen. Außerdem reicht es ihm langsam. Niemand macht, was er soll, jeder versteckt sich hinter irgendwem und hat dann noch eine Ausrede, warum er eben gerade so und nicht anders handeln musste. Dummköpfe! Warum er auf sie angewiesen ist? Weil er nun einmal dachte, sie würden wegen der Vergangenheit der Väter und Großväter automatisch alles dafür tun, um dies nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Darum nahm er eben gerade sie. Und nun? Nun können sie nichts und belöffeln sich nur. Er flucht noch einmal, schaut Bauer hinterher, der zur Straßenbahn geht. Der steht wenigstens zu seinen leeren Konten, zu seinem Ärger. Er bot ihm schon einen Scheck an. Der könnte immerhin Buchhändler werden, wenn er sich für Literatur und Kunst interessiert. Für viele andere Berufe und Berufungen in diesem Metier fehlt ihm einfach die Ausbildung und die innere Einstellung. Aber Handel… der könnte es. Wenn er ihm noch ein wenig unter die Arme greift. Der heutige Tag jedoch, dieser kurze Bericht, nachdem er den Marcus Wagner nicht ausquetschen konnte, eher nur zusehen durfte, wie er umkam… fast zumindest. Na ja, ist schon eine verrückte Geschichte! Wo wer den wohl umbrachte? Ob sie es erfahren? Wenn sie nichts weiter haben, braucht er Bauer vielleicht auch nicht? Er kann es nicht mit
Weitere Kostenlose Bücher