Cholerabrunnen
Sicherheit sagen. Gut denn… irgendwann kommt der Tag, an dem er weiß, ob er Erfolg hatte oder nicht.
„Guten Tag, Herr Mauersberger!“
Der Angesprochene fährt herum, schaut sicher recht erschrocken in ein schweinsköpfig wirkendes Gesicht, das an einem breiten Schädel und über einem massigen, wenn auch kleinen, gedrungen wirkenden Körper klebt.
„Ja, was ist?“
Sein Gegenüber lacht und es hört sich an, als würde er jeden Moment zusammenbrechen, weil er keine Luft mehr bekommt. Dann hustet der Dicke auch noch und lächelt zurück, wenn man dieses Verziehen des Gesichts in lauter Falten als Lächeln bezeichnen darf.
„Nun, gute Zusammenkunft gehabt?“
Mauersberger schaut nicht gerade schlauer. Wer ist der Kerl? Er sagt ihm gar nichts. Er sollte sich verabschieden und ihn einfach stehen lassen. Was soll er sich mit dem da abgeben?
„Ja, die alten Zeiten… nicht jeder achtet sie, oder?“
Alte Zeiten… Was will der Kerl?
Langsam greift der Dicke in seine Manteltasche. Dieses Kleidungsstück wirkt heute bei der sicher nicht zu verachtenden Wärme etwas fehl am Platze. Trotz seiner Fülle scheint der Mann jedoch nicht zu schwitzen. Und schon wieder lächelt er, schaut Mauersberger an und reicht ihm ein zusammengefaltetes Stück Papier.
„Hier, schauen Sie und Sie werden erkennen, was ich meine…“
Eigentlich will der Kopf der Männer vom Cholerabrunnen gar nicht reagieren. Dann hörte er auch schon von Vergiftungen, die man durch den Kontakt mit Briefen oder anderen Papieren herbeiführte. Und wenn er den Kerl ansieht, wird ihm zwar nicht schlecht, aber nach dem Schock, hier von jemandem erkannt worden zu sein, auch nicht besser.
Vorsichtig faltet er den Bogen auseinander. Er erweist sich als ein etwa in Größe DIN A2 gefertigter Plan. Erst schaut Mauersberger nur desinteressiert darauf, dann wundert er sich schon über gerade diesen Ausschnitt. Und schließlich stutzt er.
„Woher haben Sie…?“
Der Dicke grinst.
„Na, doch interessant?“
Mauersbergers Gedanken rasen. Was soll das? Es handelt sich definitiv um einen Kartenausschnitt des Bebauungsplanes Neumarkt. Und, was ihn noch mehr nervt, er stammt aus einem ganz anderen Jahr. Nämlich 1949, vier Jahre nach Kriegsende, etwa die Zeit, als man sich entschloss, die verbliebenen Ruinen am Neumarkt endgültig abzureißen, die Keller zuzuschütten und darüber einen großen, weiten Platz im Nichts anzulegen. Das hat sicher nicht zu viel Bedeutung, denn man kann immer irgendwelche Pläne schaffen und finden. Doch dass da vier Kreise in blauer Farbe auf das recht gut erkennbare Schwarz-braun der Zeichnung gemalt wurden, lässt Mauersberger beben. Nein, er braucht keinen Vergleich, wenngleich er die Karte mit den vier Standorten sehr wohl in seiner Hemdtasche stecken weiß. Er konnte einige Stücke heute schon aus dem Gedächtnis nachzeichnen und diese da… diese Kreise… die sitzen an den richtigen Stellen.
„Nun, Mauersberger, zufrieden?“
Der schluckt noch einmal.
„Woher haben Sie das?“
Der Dicke grinst.
„Nun, die Frage sollte vielleicht eher lauten, was ich damit zu tun bereit bin… mit Ihnen gemeinsam.“
Gemeinsam… na, das kann was werden! Wer ist der Kerl? Was kann er wollen und wie kommt er an dieses Material? Mauersberger will sich auf keinen Deal einlassen. Die Drei, die er auswählte für Suche und Bergung, sind ihm schon vollauf genug. Aber der da weiß etwas. Vielleicht nicht alles, aber doch… Na ja, vielleicht hat er gar etwas mit Marcus Wagners Tod zu tun?
„Ja, Mauersberger, es gab nicht erst heute Wendehälse. Ich kenne da Geschichten… na ja, der Mutschmann versuchte es ja auch. Natürlich hatte er keinerlei Chancen, denn die Russen wollten ihr Gesicht nicht verlieren. Zumal Mutschmann als Gauleiter eine Niete war, als Mensch ein Dummkopf und darum als Opfer, also als jemand, der nicht übernommen wird, eine gute Figur abgab. Und er wusste es bis zum letzten Moment nicht.“
Rolf Mauersberger sitzt auf einem mit Leder gepolsterten Stuhl. Die ganze Wohnung gleich über den Arkaden am Altmarkt wirkt wie ein Museum. Vollgestopft mit Kunst. Na ja, oder zumindest mit alten Möbeln und Bildern. Krempel vielleicht eher? Kunst und Krempel… irgendwo las er das einmal. Nun muss er einen kurzen Moment lang schmunzeln, wird aber gleich wieder ernst. Zu gefährlich bei diesem Kerl… wer weiß, was noch alles kommt?
„Man stattete sie mit neuen Papieren aus, versorgte ihnen eine völlig neue
Weitere Kostenlose Bücher