Cholerabrunnen
Senkel zu gehen? Er dreht sich um.
„Ja, Herr Weinert, lange nicht gesehen. Welche Freude… na ja, das vielleicht nicht, aber welch Überraschung!“
Der Dicke grinst ihn an.
„Nun, dann wird es Sie noch viel mehr überraschen, dass Ihre Freunde heute nicht kommen können. Sie haben alle zu tun… mit der Polizei. Zwar wird man sie aus Mangel an Beweisen wieder ziehen lassen, aber sie haben dann erst einmal eine Akte. Und wenn ich es will… na ja, Sie lassen mich doch sicher den Inhalt des Tresors sehen, oder? Haben Sie den noch? Ich überlege gerade, mich neu einzurichten und… solch ein altes Möbelstück kommt sicher gut. Zu sehr beschädigt dürfte er doch nicht sein nach Ihrer Öffnung… oder sollte ich lieber sagen, nach der Öffnung durch Bauer?“
Wieso Polizei? Was soll der Kram? Und… warum nicht er? Zu deutlich sieht Weinert ihm wohl genau diese Fragen an und lacht dabei.
„Ja, ja, die alte Masche… nichts wissen. Mann, ich wollte mit Ihnen reden, und weil sie mich immer ignorieren… na ja, Sie verstehen… ich brauchte einen Treffpunkt, wo ich Sie auf jeden Fall allein antreffe. Und auch noch… genügend Bewegung um uns herum ist. Da waren ein paar anonyme Hinweise auf längst vergessene offene Fälle hier in Dresden noch die kleinste Aufgabe… na ja, ich bin ganz zufrieden, denn die Polizei spielte hervorragend mit. Timing eben!“
Lange stehen sie schweigend am Brunnen. Weinert hat Zeit. Mauersberger scheint sich auch nicht über zu wenig davon zu beklagen. Obwohl sein Alter ihm sagen sollte, er braucht nicht mehr lange auf Erden zu wandeln. Nein, solche Gedanken sind ihm fremd.
„Nun, warum wollen Sie das Zeug sehen?“
Weinert kichert.
„Ich habe nur ein einziges Interesse bei der ganzen Sache. Geld habe ich. Das reicht und ich brauche ja auch keine Hungerleider finanziell zu unterstützen… wie Sie, nicht wahr? Na ja, egal. Aber ich will… die Filmrollen. Die allein sind meine Motivation.“
Filmrollen? Mauersberger schaut Weinert fragend an.
„Was denn nur für Filmrollen?“
Sein Gegenüber erschrickt, versucht dann, einen Scherz im Gesicht des Mannes zu finden, doch da ist nichts. Verdammt noch eines!
„Waren da keine?“
Kopfschütteln.
„Nur das, was im Verzeichnis zu finden war… ähm… weiß gar nicht, ob Sie das kennen?“
Mauersberger sucht in der inneren Jacketttasche. Er ist ein Mann, der auch in der Hitze noch Anzug trägt und jetzt, da es wieder anfängt zu regnen, spannt er den alten Stabschirm auf, der keine Automatik in sich trägt, also eine Art Muskelkraft und etwas Geschick erfordert, um sein schützendes Dach schnell und ohne sich die Finger einzuklemmen zu nutzen.
„Hier… weil Sie mir eh’ nicht von der Pelle rücken. Schauen Sie drauf. Das ist die Liste. Und die will ich noch abarbeiten. Weiß nicht, wie Sie auf diese Filmgeschichte kommen. Sind Sie wirklich nur darum an all dem interessiert?“
Weinert greift nach dem Zettel. Der sah erst so aus, als handle es sich um ein Original. Dann jedoch erkennt er die Kopie. Ist doch klar, oder? Wer rennt denn noch mit solch alten und wertvollen Zetteln durch den Regen?
Er schlägt den Bogen auseinander, überfliegt ihn dann schnell, liest noch einmal genauer. Keine Filme. Da stehen Aktien, Goldbarren, auch Dollars und eine Menge Reichsmark. Notizen sollen da sein…
Notizen… kann man dahinter vielleicht eine Filmaufzeichnung vermuten? Und… es fragt sich immer noch… konnte man damals von Februar bis Mai in Dresden noch 39-Milimeter-Material entwickeln? Wenn nicht, wären die unentwickelten, aber belichteten Filme inzwischen eh’ Makulatur… oder kaum mehr als Beweis nutzbar.
Er schaut zu Mauersberger.
„Das war alles da drinnen?“
Der nickt nur und greift nach der Liste. Nein, mehr wirklich nicht.
Behringer macht einen Spaziergang. Er fühlt sich wie immer von allen um ihn herum übergangen. Nicht nur, dass er in all den vergangenen Jahren keine Beförderung für sich verbuchen konnte… er wurde auch noch ausgelacht, als er jetzt diese… diese Hinweise sichtete und die drei Männer, einen Herrn Frenzel, einen Herrn Schnittge und einen Herrn Bauer vorführen ließ. Natürlich ist der Fall von damals… eher diese Kombination, die nicht zusammenpasste und ihn nur darum darauf brachte, weil sie eben dermaßen genial versteckt und nicht ineinander verwoben zu sein schien, längst bei den Akten im Keller. Er zieht ihn immer wieder heraus. Tote gab es ja genug… na, die ruhen
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