Cholerabrunnen
schon die Messe vor der Kirche stattfinden. Hmm… na, er schaut sich weiter um.
Schließlich entdeckt er Weinert. In seiner ganzen Fülle steht er im Schlamm. Der ist zwar ein wenig angefroren. Es ist ja kalt. Über kurz oder lang wird er jedoch auch diese Kälte in sich aufsteigen spüren. Der Glühwein, den er eben in sich hineinschüttet, ändert daran nur kurz etwas. Er geht näher heran, zeigt sich am Zaun, hört Für und Wider der Zuschauer, nickt Weinert zu und sieht, wie mehrere Hundertschaften Polizei anrücken. Wirklich ein friedlicher Tag heute!
Kapitel 3 – Parteipolitik ohne Skrupel
Jahre vergingen. Man sieht es ihm an und er macht auch kein Hehl daraus. Er steht zu seinem Leben und vor allem zu seinem Alter. Nichts kann ihn mehr ärgern, als wenn jemand auf ihn zukommt, eigentlich achtzig oder älter ist, sich aber die Haare färbt, sogar noch stolz berichtet, mit welchen Wässerchen oder in welcher Klinik er gegen diese oder jene Falte, einen Altersfleck oder andere Dinge vorging, die das Leben nun einmal mit sich bringt. Er lachte letztens gar einen Herrn aus, der zu ihm kam und ihn als eine Art Berater engagieren wollte. Dabei hat er mit seiner Druckerei genug zu tun. Längst leitet er sie zwar nicht mehr, sondern übergab sie einem seiner treuesten und begabtesten Mitarbeiter, der auch nur noch drei Jahre bis zur Rente zu warten braucht, aber er mischt noch mit, wird gebraucht, hinzu gezogen und ist auch darauf stolz.
Man schreibt das Jahr 2002. Es regnet schon einige Tage fürchterlich und irgendwer wollte ihm weißmachen, dass die diesjährige Flut ein Ausmaß annehmen wird, das es in den Aufzeichnungen der letzen Jahrzehnte noch nicht gab. Na ja, ihm kann es eigentlich egal sein. Er wohnt nicht an der Elbe und hat auch nicht vor, dahin umzuziehen.
Er schaut zurück auf die letzten Jahre. Richtig voran kamen sie nicht. Das Einzige, was stetig wuchs, war die Kirche. Die ist schon dermaßen hoch… na ja, wenn sich die Verantwortlichen nicht verschätzen, sind weder Wiedereröffnung noch Weihe in gut drei Jahren wirklich in Gefahr.
Seine Aktivitäten sind es aber. Er spürt das Zwicken überall. Er ist eben alt. Und so gern würde er noch diese Aufgabe abschließen, die er sich und den anderen vor Jahren stellte, sie damit manchmal sicher zur Verzweiflung trieb, sie jedoch auch in Schach hielt und unterstützte. Wenn er sich Bauer anschaut… erfolgreich ist der… wenn auch immer noch weich. Zu weich sicher. Na, er muss ja nicht mit ihm leben, sondern nur… diese Aufgabe erfüllen.
Dafür hat Bauer jedoch alle Voraussetzungen geschaffen. Er kann einen Geldschrank aus den 1940-er Jahren problemlos und schnell knacken. Es ist fast schon beängstigend, aber er ist einfach nur froh, dass der zu etwas nütze ist und bleibt. Nur… es ist eben immer noch nur einer. Und was sie darin fanden, bringt sie nicht wirklich weiter. Ja, Gold war darin. Der Schrank war schwer und die Hälfte seines Gewichtes waren Barren. Nein, nicht Unmengen von Kilobarren, sondern kleinere, die man sich gar in die Kleidung einnähen könnte. Vielleicht schaffte sie Mutschmann darum an?
Er schaut wieder ins Wasser des Brunnens. Wie oft standen sie nun schon hier? Das Hotel ist fertig. Lücke um Lücke schließt sich in der vor so langer Zeit dermaßen gezeichneten Stadt. Brauchte es wirklich erst einem Wechsel der Staatsform, dass etwas vorangehen kann? Er schluckt noch einmal. Ja, sicher, so war es eben. Und nun kann er dort vor sich einen Juwelierladen sehen, dessen Auslagen allein schon weit über das Jahresgehalt eines normalen Managers in dieser Stadt im Osten reichen… wenn man sie denn auch zum wahren Preis verkaufen könnte. Stiehlt man sie, sind sie kaum zehn Prozent dessen wert. Es lohnt sich eben nicht. Und darum konnten sie bisher noch keine Barren verkaufen. Niemand nimmt sie ihnen in Mengen ab… na ja, das ist verständlich bei den vielen Gerüchten von versteckten Schätzen, ob nun der Wettiner, der Kommunisten oder auch der Nazis. Irgendwo fand man gar einen alten Krug mit Silbermünzen aus dem Dreißigjährigen Krieg. Kaum zu glauben, wie lange Zahlungsmittel erhalten bleiben, wo doch der Mensch alles andere als ewig leben kann. Er lacht einen Moment und schaut wieder ins Wasser. Wo bleiben die nur? So spät kamen sie noch nie.
„Hallo Mauersberger!“
Die Fistelstimme. Er flucht vor sich hin. Kann der Kerl nicht einmal an anderem Gefallen finden, als ihm auf den sprichwörtlichen
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