Cholerabrunnen
Er schluckt einen Moment, schon kommt der Kaffee. Ja, wirklich… da sind Zweifel in ihm. Braucht er denn unbedingt, was da drinnen liegt? Ist es nicht nur ein Spleen, dem er folgt und doch gar nicht so recht weiß, warum? Er flucht über sich selbst. Ja, er merkt es ganz deutlich… er wird alt. Und der Kaffee… Echt… er trank schon viel besseren!
Weinert unterdessen musste sich erst einmal setzen. Wo? Er suchte nur hilflos und sah schließlich die Bank vor der Sempergalerie des Zwingers. Nein, er hat sicher keinen Blick offen und frei für diese schöne Gegend. Die Oper, das Italienische Dörfchen, hinter ihm der Zwinger, neben ihm das Opernrestaurant, auf der anderen Seite die Schinkelwache und dahinter die Bauarbeiten am Residenzschloss. Ihm geht auch nicht durch den Kopf, dass man am 1. April dieses Jahres versuchte, die Bürger der Stadt mit dem angeblichen Auffinden der Münzstätte des letzten sächsischen Königs zu narren, wobei man gar behauptete, darin hätten auch schon die Kurfürsten geprägt. Und als Beweis legte man ein Foto bei, auf dem verschiedene Münzen aus den Jahrhunderten zu sehen waren. Gewiefte Kunstinteressierte, die es in dieser Stadt scheinbar zuhauf zu geben scheint, konnten sofort gegensteuern und sagen, dass eben diese Münzen in der staatlichen Münzsammlung zu besichtigen seien und man dort einfach die Vitrine im offenen Zustand fotografierte. Na ja, am nächsten Tag bedankte man sich in der gleichen Zeitung für den regen Zuspruch per eMail und Post, aber auch per Telefon. Mancher fragte sich natürlich, wie Post von einem Tag zum anderen in die richtige Redaktion gelangte und ausgewertet werden konnte aber auch davon bekam Weinert in seinem Wahn, nach alten Filmrollen zu suchen, nicht viel mit.
Langsam kommt er wieder zu Luft. Ein Bier, sagt er sich, das wäre nicht schlecht. Er schaut sich um und entdeckt an der Schinkelwache entsprechende Reklame, geht dahin und setzt sich unter einen der Schirme. Inzwischen ist er völlig durchnässt und der Kellner ignoriert ihn eine Weile, ehe er ihn doch als Gast in diesem etwas edel angehauchten Hause begrüßt. Nein, er ist nicht Gast des Hauses, sondern nur der wenigen Tische davor. Besser so… denken vielleicht beide Beteiligte dieses Spieles.
Nach den ersten Schlucken des Gerstensaftes geht es Weinert nun wirklich besser und er beginnt, nachzudenken.
Keine Filme. Kann er Mauersberger vertrauen? Welchen Grund hätte der, ihm gerade diese für den unbedeutenden Teile vorzuenthalten? Um ihn zu ärgern? Dann könnte er doch erst recht heraufbeschwören, von ihm verraten zu werden, oder? Das ist alles nicht schlüssig und Weinert macht sich wirklich Sorgen.
Der Zettel… woher hatte der Kerl eine stets bei sich getragene Inventarliste der vier Tresore? Wieso kam ihm davon noch nie etwas zu Ohren? Fragen über Fragen. Er könnte fluchen und muss doch auf seine Gesundheit achten. Ja, manchmal zwickt und ziept es auch bei ihm schon. Nein, aufgeben wird er nicht. Der Engelhardt schob sich schon 1995 ins Abseits, als er gegen alle antrat. Und er? Nun hat er keinen mehr, den er beknieen kann. Auch nicht gut!
Behringer holt noch Luft. Er steht an diesem ehemaligen Loch. Es sieht immer noch wie frisch verfüllt aus. Ob das Absicht ist? Dabei wurde der Ort auch noch abgesperrt. Damit kann auch nichts niedergetrampelt werden. Vorsichtsmaßnahmen, nachdem einige rabiate Denkmalschützer vor einigen Jahren versuchten, den Abriss und die Einebnung der alten Keller zu unterbinden. Der Oberkommissar ist bis heute nicht stolz auf die Rolle seiner so geliebten Polizei in diesem Spiel. Man knüppelte an solch einem Tag auf recht friedlich, aber eben protestierend auftretende Menschen ein, währen die braune Flut sich drüben in Nähe des Dresdner Zwingers eine andere, eher sehr eigene Plattform schaffen konnte. Es hagelte Beschwerden selbst von toleranten Bürgern. Das war zu erwarten und er hofft, so etwas geschieht nie wieder. Doch das ist lange her.
Nun läuft er hinüber zum Hotel. Noch ein Blick über die Elbe wird ihm gut tun. Dann widmet er sich wieder den Akten. Einen offenen Fall hat er auch noch. Unfall… mit Fahrerflucht. Auch noch von einem ganz jungen Kerl, der eine Frau in seinem eigenen Alter umfuhr. Soll schon ein Unfall sein. Sonst… müsste er es als Mord einstufen. Der Junge wäre ruiniert… ein Leben lang. Und das Mädel? Ja, das ist tot. Verdammte Geschichte. Immer sitzt man irgendwie zwischen den Stühlen. Die
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