Cholerabrunnen
fehlt ihm einfach die nötige Sachkenntnis. Man kann nicht über Dinge reden…
„Und was machen Sie hier, wenn Sie nicht vor der Flut fliehen und sich im Ruinensteinweitwurf üben?“
Behringer will es erst nicht sagen, winkt dann aber ab. Das hier ist alles so unwirklich, dass es darauf auch nicht mehr ankommen kann.
„Ja, also… wir gehen einem Tötungsdelikt auf dem Waldspielplatz nach und dann… kam die Meldung der Flut… Weißeritz und Dresden. Haben Sie ja schon gehört. Und ich wollte mir einen Überblick verschaffen, aber der Funk und auch die Handys fielen aus. Da hatte Dengler die glorreiche Idee, uns hierher zu jagen… alter Aussichtspunkt und so.“
Erst schluckt Mauersberger einen Moment. Er steht schließlich der Staatsmacht gegenüber, die er vor Jahren austrickste und die er noch immer auf dem Kieker hat, um seine Interessen durchzusetzen. Dann muss er aber lachen.
„Was ist? Was ist daran so lächerlich?“
Der Druckereibesitzer hält sich den Bauch und Sabine fällt dahinein ein, obwohl sie den Grund der Heiterkeit noch nicht kennt. Es klingt einfach lustig… und sieht auch so aus, wenn Mauersberger sich dabei noch auf die Schenkel klopft.
„Ja… ähm… Waldspielplatz… gegenüber des Hauses Albrechtsburg, oder? Sie meinen doch diesen Spielplatz, nicht wahr?“
Behringer ist sich gewiss, dass gleich eine sehr ernüchternde Auflösung kommt, die ihm sicher nicht gefällt, aber er redet doch.
„Ja, genau…“
Wieder lacht Mauersberger und versucht, einige Worte dazwischen herauszupressen. Er hat mäßigen Erfolg… besonders kann man sie kaum verstehen.
„Warum… nicht Schloss… geschaut…?“
Dengler versucht, seine Sinne beisammenzuhalten. Er begreift noch nicht, woher sein Chef diese Leute kennt. Zumindest ein Teil davon scheint ihm bekannt zu sein. Und doch versteht er, was der alte Mann sagen will. Er greift sich gleich an den Kopf.
„O Mann, Entschuldigung, Chef… der hat aber wirklich recht. Wir hätten nur quer über die Straße gehen müssen, ins Schloss und da auf den Turm… besserer Überblick, keine Bäume davor… und, soviel ich weiß… auch keine Gefahr beim Hinaufsteigen.“
Behringer schluckt eine Weile, dann kommt er wieder mit sich und der Welt klar. Wie konnte er nur auf Dengler vertrauen? Nun wurde er dermaßen vorgeführt, wie er es leider noch kaum erleben musste. Verdammt, verdammt! Na, egal. Nun ist es eh’ schon zu spät.
Sie laufen den schmalen Weg wieder zur Straße hinunter und steigen schweigend ins Auto. Die Drei ließen sie zurück. Nein, er wird sich kein Urteil anmaßen. Nur, dass Mauersberger, den er von diesem Loch her kennt und der gestern sehr redselig war, nun auch noch die Wagners kennt, kommt ihm mehr als suspekt vor. Vielleicht sollte er die alten Akten unter diesem Aspekt noch einmal genauer anschauen? Er nimmt es sich für den Tag vor, an dem er sein Büro wieder erreichen kann. Dann denkt er mit Grausen an den Archivkeller, den die Kollegen schon als nicht Wasserdicht bezeichneten und in dem seit der letzten Schlappe alle Akten lagern, noch kaum etwas der nicht beendeten Fälle in den Computer übernommen wurde, außer vielleicht grober Fall und die entsprechenden Registernummern. Oh Mann, denkt er, wenn nun auch noch diese ganzen Dinge verloren sind, kann er gleich einpacken! Er hofft einfach einmal, dass es nicht wirklich soweit kommt. Dann parken sie vor Schloss Albrechtsberg, einem der drei Schlösser zwischen den Stadteilen Weißer Hirsch und Neustadt. Schön gelegen. Früher arbeiteten hier die Kinder und Jugendlichen, es gab einen Märchensaal und viele Veranstaltungen der damaligen Jugendorganisation FDJ. Trotzdem verfiel auch vieles und nun muss man Geld in die Hand nehmen, soll alles wieder erstrahlen. Doch jetzt… Fassungslos schauen sie, Dengler und er, auf die Elbe… jetzt wird man sicher erst einmal andere Schäden zu beseitigen haben. Die Welle, vor der die Medien schon seit Tagen warnen, scheint inzwischen auch auf der Elbe Dresden zu erreichen. Nun ist es eingeschlossen… von den Zuflüssen und dem großen Wasserlauf… Er könnte heulen. Und er denkt daran, wie schnell die Dresdner sich für ihre Stadt einsetzen. Vielleicht…?
Sein Blick fällt auf den Biergarten da unten an der Elbe, ihm fast gegenüber. Na ja, eher auf die Stelle, wo er stehen sollte. Da ist aber nichts. Außer den markanten Bäumen und einiger Dächer der nahebei gepflegten Kleingartensparte ist da nur Wasser. Auch
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