Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Wenigstens ein Mal ließen sich die Guten eindeutig von den Bösen unterscheiden. Und die Helden waren eindeutig auf der Seite der Roten.
    »Als die Militärs der rechten Gruppierung Patria y Libertad , schon vor dem Putsch, ihre Fühler zu uns ausstreckten, haben wir nicht gezögert. Man musste den Sozialisten Einhalt gebieten. Wir wussten sowieso, dass die Volksregierung zusammenbrechen würde. Die Diplomatie beruht immer auf dem gleichen Prinzip: dem Sieg zu Hilfe eilen. So früh wie möglich auf der richtigen Seite sein und möglichst dazu beitragen, die Dinge ›sauber‹ hinzukriegen.«
    Kasdan unterbrach ihn:
    »Entschuldigen Sie bitte. Es ist von Folter die Rede.«
    Condeau-Marie steckte wieder seine Hände in die Taschen. Seine gekünstelten Gesten waren typisch für kleine Männer, die sich wichtigmachen wollen.
    »In Algerien hatten wir einige Wahrheiten begriffen. Folter ist eine der wichtigsten Waffen. Wir haben sie nur ungern angewandt, aber die Resultate haben all unsere Bedenken vom Tisch gefegt. Nichts ist wichtiger, als in das Gehirn des Feindes einzudringen. Auch heute, in Zeiten des Terrorismus, ist es nicht anders.«
    Ein kurzes Schweigen. Condeau-Marie machte einige Schritte und fuhr dann fort:
    »Alles lief über die französische Botschaft. Offiziell waren wir dort, um den Streitkräften Schulungen anzubieten. Das war auch nicht gelogen. Die Chilenen waren miserable Militärs. In ihren Reihen gab es vor allem des Lesens und Schreibens unkundige Bauern, die den Pflug gegen ein Gewehr eingetauscht hatten.«
    Kasdan bohrte weiter:
    »Aber Sie waren doch dort wegen der Folter, nicht wahr?«
    »Ja. Wir waren zu dritt. Ich, La Bruyère, Py. Am Tag nach dem Putsch haben wir zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht. Es ging darum, das Land so schnell wie möglich zu säubern.«
    »Ich habe eine Menge Unterlagen gelesen«, wandte Kasdan ein, »die unmissverständlich zeigen, dass man mit immer größerer Brutalität vorging. Das Stadion, die DINA , die Todeskommandos. Sie hatten ganz schön viel zu tun. Herr General, an Ihren Händen klebt Blut!«
    Volokine warf Kasdan einen überraschten Blick zu. Condeau-Marie lächelte. Seine wächserne Blässe war wie ein Spiegel, in dem man sich betrachten konnte.
    »Wie alt sind Sie, Kommissar?«
    »Dreiundsechzig.«
    »Haben Sie in Algerien gedient?«
    »In Kamerun.«
    »Ja, Kamerun. Man hat mir oft davon erzählt. Es muss aufregend gewesen sein.«
    »Diesen Ausdruck würde ich dafür nicht gebrauchen.«
    Kasdan begann rotzusehen. Er sprach lauter:
    »Sie reden um den heißen Brei herum! Sie waren in Chile, um Folterer auszubilden! Erzählen Sie uns gefälligst das, was wir wissen möchten. Was haben Sie den Militärs beigebracht? Wer waren Ihre Kollegen? Und Ihre Schüler? Welche widerwärtigen Methoden habt ihr angewandt?«
    Condeau-Marie ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich hinter die leere Schreibtischplatte. Er legte seine kleinen Finger auf die Schreibtischunterlage aus dunklem Leder – wieder so eine wichtigtuerische Geste.
    »Setzen Sie sich«, bot er in aller Ruhe den beiden Ermittlern an.
    Sie kamen der Aufforderung nach. Der General faltete bedächtig die Hände.
    »Wir sind im März 1974 angekommen, nach der ersten Welle der Gewalt. Die Militärs ließen ihre Wut an den Linken und den Ausländern aus. Man könnte sagen, dass wir ihnen die Elektrifizierung gebracht haben.«
    Kasdan hatte schon begriffen. Die Geschichte fing immer wieder von vorn an.
    »Sie verwendeten sie bereits, aber auf chaotische Weise. Sie hatten eine Methode, die sie ›Grill‹ nannten, bei welcher der Gefangene auf einem Metallbett elektrische Schläge bekam. Eine grobschlächtige Methode. Wir haben sie mit einem aus Argentinien stammenden Instrument vertraut gemacht, der picaña . Ein stabförmiges Gerät, das an das Stromnetz angeschlossen war und eine wesentlich … exaktere Arbeit ermöglichte. Wir haben ihnen beigebracht, welche die empfindlichen Stellen sind. Die Dauer der Stromstöße. Sie über die Toleranzschwelle informiert. Der Sinn unserer Ausbildung bestand darin, ihnen zu zeigen, dass man schnell Schmerzen verursachen konnte. Wirkungsvoll. Ohne Spuren zu hinterlassen. In einem … wissenschaftlichen Rahmen. Zum Beispiel haben wir vorgeschrieben, dass bei jeder Folterung ein Arzt anwesend sein musste.«
    »Wie lange haben diese Schulungen gedauert?«
    »Ich kann nur für mich sprechen. Ich habe nicht lange gefackelt. Nach ein paar Monaten konnte ich

Weitere Kostenlose Bücher