Choral des Todes
Morde – scheint dir das genug?«
»Ich spreche von einem Auftrag der Staatsanwaltschaft, der dich als verantwortlichen Ermittlungsleiter bestimmt.«
Kasdan antwortete nicht. Der Oberst lachte laut:
»Gib acht, wohin du trittst, Kasdan. Der Alte hat einen langen Arm! Er hat ich weiß nicht wie viele Regierungen überlebt. Am Ende seiner Laufbahn hat er einen wichtigen Zweig des militärischen Geheimdienstes geleitet. Ein echter ›Pate‹.«
»Und die beiden anderen?«
»Ich habe nur die Namen. Vielleicht sind sie schon tot. General François La Bruyère und Oberst Charles Py. Falls La Bruyère noch lebt, müsste er jetzt uralt sein. Viel Erfahrung in den Kolonien. Indochina, dann Algerien, Dschibuti, Neukaledonien … Der Zweite, Py, hat einen besonders zweifelhaften Ruf. Er muss jünger sein. In Algerien scheint er ganze Arbeit geleistet zu haben. Neben ihm dürfte Paul Aussaresses als Animateur eines Ferienclubs durchgehen.«
»Kannst du noch mehr über sie herausfinden? Es muss doch Akten über sie geben, oder?«
Kasdan hatte die Stimme erhoben. Die Erinnerung an diese Zeiten bereitete ihm Übelkeit. Arnaud erwiderte gelassen:
»Beruhige dich. Das Armeeministerium ist nicht das Who is who . Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass heute der 24. Dezember ist.«
»Es eilt, Arnaud. Sonst würde ich dich nicht damit belästigen.«
»Sicher. Du hast dich nicht verändert, mein Alter. Immer geradewegs ins heftigste Schlachtgetümmel!«
Kasdan musste grinsen:
»Danke, Arnaud. Du leistest gute Arbeit.«
»Mein Weihnachtsgeschenk.«
Der Armenier legte auf. Eine längere Stille. Kasdan leerte seine Tasse.
»Ein Engel geht durch den Raum.«
»In Russland sagt man: ›Es wird ein Polizist geboren.‹«
Der Sechzigjährige rieb sich die Hände. »Gut. Wir werden diesen General aufsuchen. Ich bin sicher, dass Götz etwas gegen ihn und seine Kollegen in der Hand hatte. Ein Zeugnis, das in unserer guten alten Armee mächtigen Wirbel verursachen würde.«
»Ich erinnere Sie an Hansens Aussage, dass Götz nur mit Deutschen in Erscheinung getreten ist, in einem entlegenen Ort Chiles. Nicht an der Seite französischer Experten. Es gibt keine Verbindung zwischen Götz und diesen Obersten.«
»Und ich erinnere dich daran, dass unsere Behörden den Organisten abgehört haben. Und dass der Verfassungsschutz sich für die Morde besonders zu interessieren scheint. Es gibt eine Logik in diesem Durcheinander. Und unsere Aufgabe ist es, dieses Knäuel zu entwirren.«
Volokine goss sich erneut Kaffee ein. Kasdan bemerkte, dass er frisch geduscht, rasiert und gekämmt war.
»Wo hast du geschlafen?«, fragte er.
»Ich habe nicht geschlafen.«
»Und wo hast du geduscht?«
»Ein öffentliches Bad, das ich kenne.«
Das Gesicht des Armeniers entlockte Volokine ein Lächeln:
»Alle Junkies haben eine Pennerseele.«
Das Telefon klingelte. Kasdan schaltete den Lautsprecher ein. Er hatte keine Geheimnisse vor seinem Partner. Puyferrat vom Erkennungsdienst.
»Das ist deine Glückswoche. Ich habe weitere Ergebnisse für dich.«
»Welche?«
»Die Schuhabdrücke. Fort Rosny. Sie haben endlich die Untersuchungen abgeschlossen. Es hat lange gedauert. Weil die Ergebnisse ziemlich verblüffend sind.«
»Es sind also keine Abdrücke von Basketballschuhen?«
»Nein. Keineswegs! Ich habe mich durch das Sohlenprofil täuschen lassen. In Wirklichkeit musste man den Abdruck umgekehrt lesen. Was ich für Vertiefungen gehalten hatte, waren in Wirklichkeit Erhebungen. Spuren von Stollen und …«
»Verdammt, raus mit der Sprache. Was für Abdrücke sind es?«
»Abdrücke sehr alter deutscher Schuhe. Schuhe aus dem Zweiten Weltkrieg.«
»Was du nicht sagst!«
»Warte ab, wie es weitergeht. Der Typ in Fort Rosny liebt Schuhe leidenschaftlich. Und auch Geschichte. Er glaubt, den Verlauf von Schlachten anhand der Schuhe rekonstruieren zu können, die getragen wurden von den …«
»Schieß los.«
»Okay. Nach Ansicht des guten Mannes sind diese Schuhe eine Sonderanfertigung. Sie wurden während des Krieges in der Gegend von Ebersberg in Oberbayern angefertigt und waren nur für Kinder bestimmt. Für ganz besondere Kinder.«
»Das heißt?«
»Das sind die Schuhe der Lebensborn -Kinder. Der Kinder der von der SS getragenen Einrichtung zu Förderung der Geburt arischer Kinder, die den aberwitzigen Traum von einer reinen Rasse wahrmachen sollte.«
Der Armenier murmelte:
»Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Für den Fachmann aus
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