Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Musiker.«
    »Musiker?«
    Der kleine Mann zuckte mit den Achseln:
    »In Deutschland hatte er am Berliner Konservatorium unterrichtet. Er war Musikwissenschaftler und hatte diesbezüglich eigene Theorien.«
    »Was für welche?«
    »Er behauptete, dass man bei Musik foltern müsse. Dass eine solche Quelle des Wohlgefühls eine entscheidende Rolle bei der Vernichtung des Willens spiele. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Musik und Schmerz breche den Gefolterten noch etwas mehr. Er sprach auch von Suggestion …«
    »Von Suggestion?«
    »Ja. Er vertrat die Meinung, dass der Gefangene sich anschließend beim leisesten Erklingen von Musik in die Lage des Opfers versetzen würde, das zu sprechen bereit sei. Er sagte, dass man die Seele vergiften müsse. Wirklich ein schlauer Bursche.«
    Kasdan brauchte Volokine nicht anzusehen, um zu wissen, dass er das Gleiche dachte wie er.
    »Haben Sie damals von einem Krankenhaus gehört, in dem, begleitet von Chormusik, Vivisektionen an Menschen vorgenommen wurden?«
    »Man hat mir von einer ganzen Menge Gräuel erzählt, aber nicht von einem solchen.«
    »Die Ärzte sollen Deutsche gewesen sein.«
    »Nein. Das sagt mir nichts.«
    »Sagt Ihnen der Name Wilhelm Götz etwas?«
    »Nein.«
    Kasdan stand auf, der Russe ebenfalls.
    »Danke, Herr General. Wir möchten General La Bruyère und Oberst Py ein paar Fragen stellen. Wissen Sie, wo wir sie finden können?«
    »Keineswegs. Ich habe sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen. Meiner Meinung nach sind sie tot. Ich weiß nicht, weshalb Sie in diesen alten Geschichten wühlen, aber für mich ist dies alles tot und begraben.«
    Kasdan bückte sich zu dem kleinen Mann hinunter. Er war drei Köpfe größer als der General:
    »Sie müssten ins Leichenschauhaus kommen. Dort würden Sie begreifen, dass diese alten Geschichten noch sehr lebendig sind.«

KAPITEL 41
    »Haben Sie etwa ein Problem mit Algerien?«
    »Nein.«
    »Ja. Als der General davon gesprochen hat, sind Sie fast ausgerastet. Beinahe hätten wir durch Ihren Mist einen Zeugen verloren.«
    »Es ist doch gut ausgegangen, oder?«
    »Aber das war nicht Ihr Verdienst. Die nächsten Militärs nehme ich mir allein vor.«
    »Kommt nicht in Frage. Du bist noch ein Grünschnabel und hast keine Ahnung von diesen Problemen.«
    »Gerade das befähigt mich, solche Leute vollkommen sachlich zu vernehmen. Sie scheinen mir da etwas zu empfindlich zu sein.«
    Kasdan antwortete nicht. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, sein Blick war auf die Autobahn geheftet. Nach einer Weile fragte Volokine:
    »Was ist in Kamerun passiert?«
    »Nichts. Das ist allen egal.«
    Volokine lachte laut auf:
    »Okay. Was tun wir jetzt?«
    »Wir trennen uns. Ich kümmere mich um Hartmann.«
    »Den Deutschen? Aber der ist doch nur ein Schemen aus der Vergangenheit, der dem General zwölftausend Kilometer weit weg über den Weg gelaufen ist…«
    »Der Mann erfüllt drei Kriterien. Die Folter. Die Religion. Die Musik. Für mich reicht das. Vielleicht wollte der Organist gegen ihn aussagen.«
    »Condeau-Marie hat uns gesagt, dass der Typ damals fünfzig war. Er wäre jetzt mindestens achtzig.«
    »Ich will dieser Spur nachgehen.«
    Volokine lachte noch einmal kurz auf:
    »Und ich? Ich mache mich an die Anwälte ran.«
    »Genau. Such den Schwätzer, mit dem Götz Kontakt aufgenommen hat. Finde auch etwas über die anderen Chilenen heraus, die mit Götz nach Frankreich gekommen sind. Ruf noch einmal Velasco an. Diese Kerle sind irgendwo in Frankreich und haben uns etwas zu sagen. Sobald ich mit dem Deutschen fertig bin, komme ich nach.«
    »Lassen Sie mich dort aussteigen. Da ist ein Internetcafé.«
    Sie waren bei der Porte Saint-Cloud angelangt. Kasdan fuhr in die Avenue de Versailles und blieb nach ein paar Metern stehen. Das Internetcafé sah nicht sehr einladend aus. Ein Schaufenster, keine Beleuchtung, einige flimmernde Bildschirme, um die sich ein paar Jugendliche herumdrängten.
    »Bist du sicher, dass es klappen wird?«
    »Bestimmt. Mit einem Bildschirm und einem Telefon finde ich alles heraus.«
    »Jetzt krieg dich mal wieder ein, mein Junge.«
    Volokine sprang mit einem Satz aus dem Wagen. Bevor er die Tür schloss, bückte er sich hinunter zu Kasdan:
    »Passen Sie auf Ihr Herz auf, Opa. Keine schweren Geschütze!«
    »Ich habe meine Pillen. Wir bleiben über Handy in Kontakt.«
    Der Russe ging zielstrebig auf das Internetcafé zu. Kasdan beobachtete ihn. Eine straffe, konzentrierte Gestalt. Ein Jäger, der in

Weitere Kostenlose Bücher