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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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bereiteten. Ein drogensüchtiger General, der sich Wunden schlitzte, wenn er high war, wie ein anderer masturbiert. Volokine schien sich bestens auszukennen, auch wenn er mit den Nerven am Ende war.
    Kasdan stand auf und zog seinen Krawattenknoten fest:
    »Die Sadomasochisten berauschen sich an diesen bescheuerten Erklärungen. Für mich seid ihr nur eine Bande von Perversen, die nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, und Schluss!«
    La Bruyère lachte kurz auf. Er war so weggepfiffen, dass ihn nichts mehr kränken konnte.
    »Sie sollten es probieren«, gluckste er. »Vielleicht spüren auch Sie diese gegensätzlichen Empfindungen. Die Hitze. Die Kälte. Eng miteinander verknüpft. Ich bin sehr schnell auf den Geschmack gekommen. Ich habe keinen Unterschied mehr zwischen Gut und Böse gemacht. Für mich zählte nur noch die Stärke der Empfindung!«
    Volokine hielt sich an der Bettkante fest und schrie:
    »Bist du so zum Sadomasochisten geworden?«
    »Ich mag dieses Wort nicht.«
    »Verdammter Fixer. Ich …«
    Der Russe sprang auf, um den alten Mann zu schütteln. Kasdan packte ihn an der Jacke.
    »Beruhig dich!« Er starrte La Bruyère an. »Wie lange haben diese … Übungen gedauert?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Ich hab jedenfalls den Boden unter den Füßen verloren. Ich bin zum Sklaven Hartmanns geworden, aber er hat mich schon bald verstoßen.«
    »Warum?«
    »Wegen der Lust, die mir Folterqualen bereiteten. Das war nicht im Sinne der Experimente des Deutschen. Für die Lust gibt es in seiner Philosophie keinen Platz. Aus diesem Grund hat er mich immer verachtet. Ich mochte es zu sehr, verstehen Sie?«
    »Nein, ich verstehe nichts. Was genau suchte Hartmann?«
    »Niemand wusste das. Ich glaube, er wollte die Ausschüttung der Endorphine kontrollieren, um den Körper und den Geist abzuhärten. Den Schmerz in einem stoischen Sinne beherrschen. Er strebte nach einer Läuterung. Das Leiden sollte zu einer Kraft werden. Einer Energiequelle für eine Neugeburt.«
    »Haben Sie Hartmann nach Ihren Lehrgängen wiedergesehen?«
    »Nein. Ich bin 1976 nach Frankreich zurückgekehrt und war nie wieder in Chile. Ich sage es Ihnen noch einmal: Er interessierte sich nicht für mich. Ich war unrein. Ich zog meine Lust aus dem Bösen. Ich ritzte meine Haut. Der Deutsche ertrug das nicht. Er konnte keine Narben sehen.«
    »Wieso?«
    »Der Schmerz ist ein Mysterium. Der Schmerz ist spirituell.«
    »Glauben Sie, dass Hartmann tot ist?«
    »Ich bin sogar sicher. Aber ich kann es nicht zweifelsfrei belegen. Im Übrigen ist es auch nicht so wichtig.«
    »Warum?«
    »Weil er ein Geist ist. Der Begründer einer Schule. Und Schulen sterben nicht.«
    Das hatte Kasdan schon einmal gehört. Er wechselte das Thema:
    »In Santiago gab es noch einen weiteren französischen Offizier, General Py.«
    »Das stimmt.«
    »Haben Sie ihn wiedergesehen?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?«
    »Er hat eine glänzende Karriere gemacht. Die Armee braucht Männer wie ihn. Eine kaltblütige Schlange.«
    »Wissen Sie, wo wir ihn finden können?«
    »Das weiß niemand. Er hat in der Armee immer sehr geschickt laviert mit seinen Geheimnissen, Netzwerken und verdeckten Operationen. Py war immer für die Drecksarbeit zuständig. Eliminierung, Folter, Erpressung. Militärische Effizienz in ihrer finsteren Version. Außerdem hat er mehrfach seinen Namen gewechselt. Bevor er sich Py nannte, trug er den Namen Forgeras.«
    »Jean-Claude Forgeras?«
    »Genau der.«
    Kasdan begrub diese Information in einem Winkel seines Gehirns. Sie war für ihn in diesem Augenblick zu gefährlich.
    »Wissen Sie, welche Namen er sich später zugelegt hat?«
    »Nein. Ich habe ihn nie mehr gesehen. Es gab Gerüchte, das ist alles.«
    Der Armenier wechselte ein weiteres Mal das Thema:
    »Im Jahr 1987, als sie bereits im Ruhestand waren, erhielten Sie den Auftrag, die Überführung chilenischer ›Flüchtlinge‹ zu beaufsichtigen.«
    »Sie sind gut im Bilde.«
    »Wieso ausgerechnet Sie?«
    »Weil ich sie kannte. Diese Männer hatten unsere Lehrgänge besucht. Gewissenlose Folterer.«
    »Weshalb wurden sie von Frankreich aufgenommen?«
    »Niemand hatte ein Interesse daran, dass sie über unsere Verwicklungen während dieser dunklen Jahre plauderten. Im Übrigen erhält doch jeder Schwarze Asyl. Weshalb sollte man es dann Offizieren vorenthalten? Schließlich hatten diese Männer ein Land regiert.«
    »Unter ihnen war ein Mann namens Wilhelm Götz.«
    »Stimmt. Der

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