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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Männer waren extrem angespannt. Aus unterschiedlichen Gründen.
    »Vor einigen Jahren«, begann der Russe, »hatte ich eine Freundin, die in der Rue de Calais 28, im 9. Arrondissement, wohnte, in der Nähe der Place Adolphe-Max. Einmal nehme ich ein Taxi und nenne dem Fahrer den Namen der Straße. Auf der Stelle fragt er mich: ›Nummer 28?‹ Ich nicke, gehe aber nicht darauf ein.«
    Die Scheinwerfer der Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn blendeten sie. Die Zubringer zur Pariser Ringautobahn tauchten auf.
    »Einige Wochen später nehme ich wieder ein Taxi und sage: ›Rue de Calais‹. Der Typ antwortet: ›Nummer 28?‹. Das ist nicht jedes Mal passiert, aber mehrfach. Rue de Calais. Nummer 28? Als Polizist mag ich keine Fragen, auf die ich keine Antwort habe. Ich habe Nachforschungen über das Gebäude und seine Bewohner angestellt. Aber ich habe nichts gefunden. Nichts, was diese seltsame Berühmtheit erklären konnte. Eines Tages dann hat mich ein Fahrer, der pfiffiger war als die anderen, aufgeklärt. Im Haus Nummer 34 gab es einen Swinger-Klub mit SM -Orientierung. Die Kunden, die es nicht wagten, die richtige Adresse anzugeben, nannte eine andere Hausnummer, um sich auf diese Weise von ihren Wunschphantasien zu distanzieren. Das war jedes Mal die 28.«
    Die Hinweisschilder leuchteten in der Dunkelheit. Porte de Bagnolet. Porte de Lilas. Pré-Saint-Gervais. Obgleich sie sich Paris näherten, blieb der Verkehr flüssig. Der Wagen schien zu gleiten, getragen von der Nacht. Die Anzeiger im Armaturenbrett glänzten wie die in einem Flugzeug-Cockpit.
    »Sehr witzig«, meinte Kasdan, »und was hat das mit Milosz zu tun?«
    »Der Klub war Le Chat à neuf queues .«
    »Stark. Und natürlich weißt du, was dieser Name bedeutet?«
    »Ein Symbol im Bereich BDSM . Eine Peitsche mit mehreren Riemen, die jeweils in einem Knoten enden. Angeblich wurden bei den Piraten disziplinarische Verstöße damit bestraft. Der Verurteilte musste jeden Knoten selbst binden. In der Welt des BDSM hat der Ausdruck, die ›neunschwänzige Katze machen‹, ein ganz bestimmte Bedeutung. Es ist eine Stufe auf der Leiter der Schmerzen.«
    »Du bist ja richtig in Fahrt. Was heißt BDSM ?«
    »Es ist das Akronym von Bondage , Discipline , Dominance , Submission und Sadomasochismus … Sie sehen, worum es geht.«
    »Was hat man sich unter Bondage vorzustellen?«
    »Die Kunst des Fesselns. Haben Sie nie diese Comics gelesen, in denen Mädchen gefesselt und gefoltert werden?«
    »Lange her.«
    »Man darf aber BDSM nicht mit SM im weiteren Sinne verwechseln. BDSM ist viel sicherer und weniger schmerzhaft.«
    »Und worin besteht der Unterschied?«
    » BDSM basiert auf einvernehmlichen Praktiken, die ein Vertrauensverhältnis voraussetzen. Rituale der Erniedrigung und kontrollierten, oberflächlichen Zufügung von Schmerzen. SM ist härter. Blutige Rituale, Folter, manchmal auch no limit .«
    Der Armenier fand sein Lächeln wieder:
    »Ich bin der Alte und du bist der Lehrmeister.«
    Volokine grinste seinerseits:
    »Bleiben Sie bis zur Porte de la Chapelle auf der Ringautobahn. Dann fahren Sie bis zum Boulevard de Rochechouart. Anschließend biegen Sie rechts ab. Richtung l’Étoile. An der Place Clichy fahren wir nach links ins 9. Arrondissement.«
    Kasdan öffnete den Mund, um den Jungspund darauf hinzuweisen, dass er seit vierzig Jahren auf den Straßen von Paris unterwegs war, aber er schwieg. Besser, ihm die Zügel schießen zu lassen. Der Junge hatte vor einer Stunde eine extrem harte Bewährungsprobe durchgemacht. Der Kontakt mit Heroin. Die Zubereitung der Fixe. Und noch etwas anderes, das der Armenier nicht beschreiben konnte. Er hatte die Prüfung wie ein tapferer Soldat bestanden, aber bestimmt nicht unversehrt.
    »Kennst du Milosz?«
    »Flüchtig. In Wirklichkeit heißt er Ernesto Grebinski. Beim Jugendschutzdezernat führen wir eine Akte über ihn.«
    »Steht er auf Frischfleisch?«
    »Nein. Aber wir haben in seinem Klub mehrfach Minderjährige aufgegabelt. Pain Sluts , die noch keine achtzehn waren. Hat aber nichts mit Pädophilie zu tun.«
    »Kannst du mir erklären, was Pain Sluts sind?«
    »Leute, die nur unter Schmerzen zum Orgasmus kommen.«
    »Und was soll dieser Spitzname Milosz?«
    »Keine Ahnung. Das klingt slawischer, brutaler. Auf seine Weise ist der Typ okay. Er hat ein Revier, an das er sich hält. Sexpartys. BDSM . Er tut den Leuten weh, und die Leute bezahlen ihn dafür. Punktum.«
    »Nichts Heftigeres? SM ?«
    »Er

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