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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Zeit noch die Befugnis dazu. Sein Blick fiel auf den Computer, der auf dem Schreibtisch in der Ecke des Wohnzimmers stand. Auch da gab es nichts für ihn zu tun. Der Rechner wurde zweifellos durch ein Kennwort geschützt, und falls er Geheimnisse barg, hatte Götz sie mit Sicherheit genauso gut versteckt wie alles Übrige.
    Kasdan ließ seine Gedanken schweifen. Er dachte über die wichtigste Information des Abends nach: Götz war homosexuell gewesen. Das eröffnete eine neue Möglichkeit: ein Verbrechen aus Leidenschaft. Nicht Naseer, sondern ein anderer Liebhaber, den er neben dem kleinen Mauritier hatte. Ein Verrückter, der dem Chilenen aus diesem oder jenem Grund etwas nachtrug und ihn auf qualvolle Weise umgebracht hatte. Oder eine verhängnisvolle Zufallsbekanntschaft? Vergeblich kämpfte Kasdan gegen seine Vorurteile, für ihn waren alle Schwule unentwegt auf der Suche nach sexuellen Abenteuern. War Götz einem Psychopathen über den Weg gelaufen?
    Er ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern. Eingehend musterte er jeden Winkel, jede Fußleiste auf der Suche nach irgendetwas. Plötzlich blieb sein Blick an etwas Ungewöhnlichem hängen, über der Gardinenstange am großen Fenster. Er zog einen Stuhl heran und stieg hinauf. Er betrachtete den Bereich zwischen der Fenstertür und der Decke, der einen anderen Farbton aufwies. Offenbar war dieser schmale Streifen übermalt worden. Kasdan tastete ihn ab. Seine Finger erspürten eine leichte Erhebung. Mehrmals strich er mit der Hand darüber. Etwas Rundliches von der Größe einer Ein-Euro-Münze.
    Er holte ein Messer aus der Küche und stieg wieder auf den Stuhl. Vorsichtig kratzte er mit dem Messer eine Furche um das Objekt und schob die Klinge darunter. Mit einem kräftigen Ruck sprengte er die Farbschicht und löste das Objekt.
    Es überlief ihn eiskalt.
    In seiner flachen Hand lag ein Mikrofon.
    Und nicht irgendeines: ein koreanisches Modell, wie es in den letzten Jahren von der Kripo verwendet wurde. Er selbst hatte es oft angebracht, wenn er die Wohnungen von Verdächtigen verwanzte. Die Wanze enthielt einen akustischen Sensor, der sie aktivierte, sobald ein empfangenes Geräusch eine gewisse Lautstärke erreichte – beispielsweise das Zuschlagen der Wohnungstür.
    Die Kälte schwand aus seinen Adern, während sich seine Gedanken klärten. Wilhelm Götz wurde abgehört, aber nicht von einer chilenischen Miliz oder von südamerikanischen Geheimpolizisten. Er wurde von der Kripo belauscht oder vom Inlandsgeheimdienst beziehungsweise vom Verfassungsschutz. Jedenfalls eine typisch französische Geschichte.
    Kasdan betrachtete das Corpus Delicti und dann das stationäre Telefon. Der Umstand, dass er im Hörer kein Mikrofon gefunden hatte, bewies gar nichts. Heutzutage überwachte die Polizei die Leitungen an der Quelle, bei France Télécom oder den Mobilfunkbetreibern. Das konnte er durch ein paar Anrufe überprüfen.
    Er steckte die Wanze ein und setzte die Durchsuchung der Wohnung fort. Diesmal wusste er, wonach er fahndete. In weniger als einer halben Stunde entdeckte er drei Mikrofone. Eines im Schlafzimmer, eines in der Küche und eines im Bad. Nur der Musiksalon war nicht verwanzt worden. Kasdan ließ die vier Wanzen in seinem behandschuhten Handteller hüpfen. Weshalb wurde der Chilene von der Polizei belauscht? Wollte er wirklich in einem Prozess, in dem es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit ging, aussagen? Wieso interessierte sich »die Firma« dafür?
    Kasdan ging die Wohnung ein weiteres Mal ab, um zu überprüfen, ob seine »Entnahmen« nicht allzu sichtbare Spuren hinterlassen hatten. Wenn Vernoux und seine Kollegen die Wohnung nur oberflächlich durchsuchten, würden sie nichts merken. Der Armenier stellte die Möbel an ihren Platz, schaltete die Lichter aus, zog die Rollos hoch und ging rückwärts aus der Wohnung, deren Eingangstür er in aller Ruhe abschloss.
    Für diese Nacht hatte er genug.

KAPITEL 9
    Der Schrei fuhr durch seinen ganzen Körper.
    Nicht er, Cédric Volokine, hatte gebrüllt, sondern sein Magen. Ein unerhörter Schmerz, aus tiefstem Innern, der sich in seinem Rachen in einen Feuerstrahl verwandelte. Er hatte sich übergeben, und erbrach sich noch immer. Jetzt war es nur noch ein ruckartiges Würgen, ein Krampf, der auf seinem Weg alles zerriss, an seinen Knorpeln widerhallte, sein Gehirn zerfetzte und ihn an die Grenze zur Ohnmacht katapultierte.
    Vor der Klosettschüssel kniend, spürte Volokine das pochende Brennen in

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