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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Bude und trat ein. Das fünfzehn Quadratmeter große Zimmer war von Dämmerlicht erfüllt. Er verstand nicht. Um seine Verwirrung vollkommen zu machen, erklangen die Kirchturmglocken des benachbarten Dorfes. Er starrte auf seine Uhr: 7.00 Uhr. Er war ein weiteres Mal in Ohnmacht gefallen und hatte, ohne es zu bemerken, den Rest der Nachtstunden im Gang verbracht.
    Er besann sich anders.
    Es lohnte sich nicht mehr zu schlafen. Ein Kaffee, und auf geht’s!
    Mit einem ungewohnt klaren Kopf musterte er eingehend jedes Detail seines Zimmers. Der durchgescheuerte, von Flecken übersäte Teppich. Das rötliche Linoleum. Der Daunenschlafsack. Der Tisch mit seiner Ikea-Lampe. Das Gekritzel auf der Tapete. Das Fenster, hinter dem ein rußverschmierter Tag graute.
    Ein Krampf riss ihn aus seinen Gedanken.
    Er schlotterte. Die letzten beiden Tage waren ein einziges Pendeln zwischen diesen glühenden Fieberschüben und einem eisigen Frösteln, mit der Folge, dass seine Klamotten fast immer feucht waren. Vom Weiß der Augen bis zu den Zehen hatte er den gleichen gelblichen Teint. Sein Urin war rot. Seine Fieberanfälle schwarz. Im Grunde glichen die Entzugserscheinungen einer tropischen Krankheit. Irgendein fieser Erreger, den er sich in einem fernen, heruntergekommenen Land eingefangen hatte, das er nur zu gut kannte: die Sümpfe des Heroins.
    Er brauchte eine heiße Dusche, aber er wollte nicht in den Gang zurück. Ein Kaffee . Er hatte hier alles, was er dafür brauchte. Ein Gaskocher, Nescafé, Wasser. Er ging zum Spülbecken, füllte Wasser in einen Campingtopf und trottete zurück zum Kocher. Mit zitternder Hand riss er ein Streichholz an und verharrte reglos, hypnotisiert von der bläulichen Flamme. Erst der stechende Brandschmerz rief ihn zur Ordnung. Er entzündete ein weiteres Streichholz, und dann noch eins.
    Mit dem vierten gelang es ihm, den Brenner des Kochers anzuzünden. Vorsichtig griff er nach dem Teelöffel, steckte ihn in die Dose Nescafé. Während das Wasser im Topf bereits aufwallte, hielt er abermals inne. Der Teelöffel. Das Pulver. Ihm wurde klar, dass er auf diese Verrichtung eine besondere Sorgfalt verwendete, als handele es sich um das Ritual, das er vergessen wollte.
    Er streute das Pulver ins Glas. Beim Anblick des siedenden Wassers wurde er erneut ohnmächtig. Die Glocken läuteten. Eine weitere Stunde war vergangen. Die Zeit schien sich förmlich auszudehnen. Sie glich einer weichen Substanz wie auf den Gemälden Dalís, wo die Uhren sich wie Lakritzstreifen biegen.
    Er streifte den Ärmel über seine Hand, umfasste den Henkel des Topfs und goss Wasser ins Glas, das sich sogleich mit einer bräunlichen Flüssigkeit füllte, die zu dieser tristen Stunde des Tages passte.
    Erst jetzt erinnerte er sich, dass er einen Termin hatte.
    Vor dem Anfall in der letzten Nacht hatte er einen Anruf erhalten.
    Ein Zeichen in der Finsternis …
    Er lächelte, als er an das Fernschreiben dachte, das man für ihn entwendet hatte.
    Ein Mord, eine Kirche, Kinder: alles, was er brauchte.
    Die Situation ließ sich in zwei Sätzen zusammenfassen.
    Dieser Fall brauchte ihn.
    Doch vor allem brauchte er diesen Fall.

KAPITEL 10
    Wie jedes Mal wälzt sich der Mann im Staub.
    Im roten Staub der afrikanischen Erde.
    Er hat sich in seiner Dschellaba verfangen und versucht wieder aufzustehen, aber der Ranger versetzt ihm einen Schlag in die Magengrube, dann aufs Kinn. Der Mann bäumt sich auf, bricht zusammen. Tritte ins Gesicht, in den Magen und zwischen die Beine. Die mit Eisen beschlagenen Schuhspitzen finden die Backenknochen, die Rippen, die zerbrechlichen Knochen an der Körperoberfläche. Der Mann rührt sich nicht mehr. Der Angreifer kann sich die Stellen, gegen die er tritt, nach Belieben aussuchen. Kiefer, Zähne, Nase, Lippen, Augen. Die Haut reißt auf und entblößt Muskeln und Fasern in einem lehmverschmierten blutigen Matsch.
    Hände greifen nach dem Benzinkanister. Der Geruch nach Benzin legt sich über den Blutgeruch. Gesicht, Hals und Haare werden übergossen. Das Feuerzeug klackt und fällt auf den Rumpf. Jäh schießt das Feuer empor. Die blaurote Flamme schlägt augenblicklich in Rot um. Plötzlich richtet sich der Mann auf: Er hat sich in eine Echse verwandelt, eine Riesenechse, deren spitz zulaufendes Maul aus der Kapuze ragt, während die klauenbewehrten Pfoten aus den Ärmeln der Dschellaba lugen …
    Lionel Kasdan schrak auf, zu Tode erschrocken. Noch immer hatte er den Geruch des verbrannten Stoffs

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