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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Genehmigung, ohne jede Vorbereitung?«
    Kasdan antwortete nicht. Bei jedem Satz erwartete er, dass die Lautstärke und mit ihr auch die Wut sinken würde. Schließlich sagte er:
    »Eine letzte Frage: Haben Sie sich ans Jugendschutzdezernat gewandt?«
    »Das Jugendschutzdezernat? Wieso hätte ich das tun sollen?«
    Kasdan gab keine Antwort, sondern wechselte das Thema:
    »Hören Sie. Ich verstehe, dass Sie sauer sind. Sie werden sich sagen, dass Sie einen alten Opa wie mich nicht brauchen. Aber vergessen Sie eines nicht: Sie haben nur eine Woche, um den Fall zu lösen.«
    »Eine Woche?«
    »Ja. Die polizeiliche Untersuchungsfrist bei frisch begangenen Straftaten. Anschließend wird ein Richter ernannt, und die Uhren werden auf null zurückgestellt. Dann müssen Sie sich für die kleinste Durchsuchung eine richterliche Genehmigung einholen. Im Moment sind Sie Herr des Verfahrens.«
    Vernoux schwieg. Er kannte das Gesetz. Die Entdeckung einer Leiche gibt der vom Staatsanwalt eingeschalteten polizeilichen Dienststelle für acht Tage uneingeschränkte Ermittlungsbefugnisse. Die mit der Untersuchung betrauten Beamten benötigen für Ermittlungsmaßnahmen keine richterliche Anordnung. Durchsuchungen, Vernehmungen, polizeiliches Gewahrsam – alles ist erlaubt.
    »Aber Sie brauchen Hilfe«, fuhr Kasdan fort. »Der Mord geschah in einer armenischen Einrichtung, und er betrifft noch eine andere Gemeinschaft: die Chilenen. Ein alter Einwanderer wie ich kann Ihnen Tipps geben. Wenn’s klappt, ernten Sie die Lorbeeren.«
    »Ich habe mich über Sie erkundigt«, räumte Vernoux ein. »Sie haben einen großen Namen gehabt.«
    »Sie benutzen das Perfekt – das passende Tempus. Habt ihr die Ermittlungen im Umfeld des Tatorts abgeschlossen?«
    »Ja, wir haben die Anwohner befragt. Niemand hat irgendetwas gesehen. Die Rue Goujon ist menschenleer.«
    »Und die Obduktion?«
    Vernoux teilte ihm mit, was er bereits wusste. Auf diese Weise konnte Kasdan sich ein Bild von seiner Offenheit machen. Dieser Polizist war nicht übergeschnappt, sondern ein junger Heißsporn, der einen Fall lösen wollte.
    »Was ist Ihre Vermutung?«, fuhr er fort.
    »Ich glaube an einen politischen Hintergrund. Ich versuche herauszufinden, wer Götz in Chile gewesen ist.«
    »Haben Sie die Botschaft angerufen?«
    »Ja, aber der einzige Attaché, der mir Auskunft geben kann, ein Typ namens Velasco, ist für zwei Tage auf Dienstreise. Und es gibt in Paris keinen Verbindungsbeamten für Chile. Ich werde mich an den argentinischen wenden, man weiß ja nie. Außerdem habe ich die Dienststelle für internationale Beziehungen und Interpol angerufen. Ich will herausfinden, ob internationalen Haftbefehle vorliegen.«
    »Gegen Götz?«
    »Wieso gegen Götz? Nein. Ich denke an Folterknechte, die Leute, die für das alte Regime die Drecksarbeit gemacht haben und denen der Chilene ein Dorn im Auge war. Bei der Nationalen Dienststelle für die Fahndung nach flüchtigen Straftätern haben sie mir mitgeteilt, dass sie keinen Chilenen auf ihrer Liste stehen haben. Außerdem habe ich Götz’ Fingerabdrücke durch die internationale Datenbank gejagt. Nur für den Fall … Götz könnte auch jemand anders sein. Die Ergebnisse bekomme ich morgen.«
    »Gut gemacht! Was gibt es sonst noch?«
    »Ich habe eine Recherche beim ›System zur Analyse von Querverbindungen zwischen Gewaltverbrechen‹ in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob es Morde nach ähnlichem Muster gegeben hat – in Frankreich oder in Europa. Morde, bei denen das Trommelfell durchbohrt wurde.«
    Das »System zur Analyse von Querverbindungen zwischen Gewaltverbrechen« war ein neues EDV -System, das sämtliche auf französischem Territorium begangenen Morde erfasste. Eine ganz neue amerikanische Methode, von der Kasdan schon gehört hatte. Zumindest musste man sagen, dass Vernoux sich mächtig ins Zeug legte.
    »Und Sie?«
    Kasdan drehte den Zündschlüssel und fuhr an:
    »Ich? Ich bin gerade wach geworden«, log er.
    »Was tun Sie jetzt?«
    »Meine Jogging-Runde drehen. Danach werde ich in den Archiven unserer Gemeindemitglieder stöbern. Man weiß ja nie, vielleicht gibt es bei den Armeniern einen Vorbestraften …«
    »Machen Sie keinen Mist, Kasdan. Wenn Sie mir nochmals in die Quere kommen, werde ich …«
    »Ich hab verstanden. Aber seien Sie so nett und halten mich auf dem Laufenden.«
    Er legte auf. Das Gespräch war in die Binsen gegangen. Trotzdem hatte er den Eindruck, dass das Fundament einer

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