Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Leiter bekam.
    Kasdan bezahlte seine (teuren) Bücher und sehnte sich nach der glücklichen Zeit der Spesenrechnungen. Draußen vor der Tür atmete er tief ein. Die Buchhandlung befand sich am Ende der Rue des Écoles, die den Abschluss des Quartier Latin bildet. Dahinter lagen die Rue Monge, die ins Unbekannte aufsteigt, das Klaviergeschäft Hamm , das wie der Bug eines Passagierschiffs hervorsteht, die letzten Action- Kinos.
    Der Armenier prüfte sein Handy. Eine Nachricht des ehrwürdigen Vaters Sarkis. Ein Tastendruck, und er rief zurück.
    »Was gibt’s?«
    »Ein anderer Polizist hat mich aufgesucht.«
    »Von der Mordkommission?«
    »Nein vom Dezernat … ich weiß nicht mehr genau, irgendetwas mit ›Jugend‹ …«
    »Jugendschutzdezernat?«
    »Genau.«
    Kasdan verzog das Gesicht. Der Bericht von Puyferrat, in dem der Abdruck des Basketballschuhs erwähnt wurde, hatte Vernoux gegen neun Uhr erreicht. Hatte sich der Hauptmann ans Jugendschutzdezernat gewandt, mit der Bitte, die Vernehmung der Sängerknaben zu übernehmen? Merkwürdig. Warum sollte Vernoux ein anderes Dezernat einschalten?
    »Wie sah der Polizist aus?«
    »Eigenartig.«
    »Das heißt?«
    »Jung, schmuddelig, unrasiert, ziemlich attraktiv. Er wirkte eher wie ein Rockmusiker. Und er hat sogar Orgel gespielt.«
    »Was?«
    »Ich schwör’s. Während er auf mich wartete, ist er auf die Empore gestiegen. Da sind noch immer die großen gelben Absperrbänder gespannt. Der junge Mann ist darunter durchgeschlüpft und hat sich an die Klaviatur gesetzt. Er hat sie angeschaltet und einen Hit aus den siebziger Jahren gespielt …«
    Sarkis trällerte mit seiner rauen Stimme ein paar Töne. Kasdan erkannte das Lied:
    » Light my fire von den Doors .«
    »Ja, vielleicht.«
    Kasdan versuchte sich den Polizisten vorzustellen. Ein ungepflegter junger Typ, der an einem Tatort herumtrampelte und in »seiner« Kirche ein Lied der Doors spielte. Nicht gerade alltäglich.
    »Hat er dir seinen Namen genannt?«
    »Ja, ich habe ihn aufgeschrieben … Cédric Volokine.«
    »Kenn ich nicht. Hat er dir seinen Ausweis gezeigt?«
    »Ja, ohne zu zögern.«
    »Was genau hat er dich gefragt?«
    »Er wollte genauere Angaben darüber, wann und in welcher Position die Leiche aufgefunden worden war und was es mit den Blutspuren auf sich hatte … Aber vor allem wollte er die Jungen befragen. Wie du. Die Jungen, die Converse-Basketballschuhe tragen.«
    Kein Zweifel: Vernoux hatte die Sache ausgeplaudert. Aber wieso? Fühlte er sich nicht imstande, die Jungen selbst zu vernehmen?
    »Ich werde mich erkundigen«, sagte Kasdan. »Sonst nichts Neues?«
    »Der Polizist von gestern, Vernoux, hat angerufen. Auch er will die Kinder befragen. Ihr könnt doch nicht alle …«
    Irgendetwas stimmte nicht. Wenn Vernoux die Burschen ebenfalls vernehmen wollte, dann war der Rocker-Polizist von jemand anderem geschickt worden. Wie hatte er von dem Verbrechen erfahren?
    »Hast du Vernoux gesagt, dass ich sie bereits verhört hatte?«
    »Ich musste doch, Lionel.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »Er hat dich einen alten Trottel genannt.«
    »Ich ruf dich wieder an. Mach dir keine Gedanken.«
    Kasdan ging zu seinem Wagen. Nachdem er Platz genommen hatte, wählte er die Nummer des Hauptmanns der ersten Kriminalpolizeidirektion. Vernoux ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen:
    »Was ist denn das für ein Mist? Was für ein Spiel treiben Sie, verdammt?«
    »Ich komme voran, ganz einfach.«
    »Und in wessen Auftrag handeln sie?«
    »Diese Kirche ist meine Kirche.«
    »Hören Sie mir zu. Wenn Sie mir über den Weg laufen, dann nehme ich Sie in Gewahrsam, damit Sie runterkommen.«
    »Verstanden!«
    »Sie haben nichts verstanden, aber ich schwöre Ihnen, dass ich es tue!«
    Nach kurzem Schweigen fuhr Vernoux in gedämpfterem Ton fort:
    »Haben die Jungs Ihnen was gesagt?«
    »Nein.«
    »Mist! Was für eine vertane Chance. Sie versauen mir meine Ermittlungen!«
    »Beruhigen Sie sich. Irgendetwas stimmt nicht. Ich bin kein großer Psychologe, und ich hab nicht mit freimütigen Bekenntnissen gerechnet. Aber irgendetwas hätte mir auffallen müssen. Eine Unruhe bei dem Jungen, der Zeuge des Mordes wurde.«
    »Keiner war geschockt?«
    »Nein, es muss eine andere Erklärung geben. Und wie weit sind Sie?«
    »Wollen Sie einen unterzeichneten Bericht? Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Und halten Sie sich aus diesem Fall heraus!« Seine Stimme bebte wieder vor Wut. »Wie konnten Sie diese Jungen einfach so verhören, ohne

Weitere Kostenlose Bücher