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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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einen Rundbogen eingesetzt war. Vom siebten Stock aus hatte er eine unverbaubare Aussicht auf den Boulevard Voltaire und die Kirche Saint-Ambroise.
    Sein Handy läutete. Er dachte an Volokine. Es war Vernoux.
    »Und?«, fragte er sofort.
    »Niemand hat irgendetwas gesehen«, berichtete Vernoux. »Mendez macht die Autopsie. Und ich warte auf die ersten Ergebnisse der Analysen des Erkennungsdienstes. Aber wie es scheint, gibt es keine Spuren. Die Schriftzüge an der Decke wurden mit Hilfe der Zunge des Opfers angebracht, und das Organ wurde mit Handschuhen angefasst. Ansonsten kein Haar, kein bisschen Speichel. Der Mörder ist ein Profi. Und immer diese bizarre Methode des Durchstechens der Trommelfelle. Wussten Sie, dass die Suche nach Metallresten im Hörorgan von Götz nichts ergeben hat?«
    Kasdan antwortete nicht. Vernoux sprach weiter. Der Mord an Naseer schien ihm zugesetzt zu haben. Jetzt wollte er die Zusammenarbeit. Sie mussten ihre Kräfte gegen diesen Feind bündeln, der viel gefährlicher war als erwartet.
    Wenigstens hatte Vernoux das Glück, dass der Boulevard Malesherbes in seinen Zuständigkeitsbereich fiel. So war ihm der neue Fall übertragen worden. Aber es würde ihm schwerfallen, den Staatsanwalt dazu zu bringen, ihm beide kriminalpolizeilichen Ermittlungen zu überlassen. Das schrie geradezu nach der Mordkommission.
    Im Gegenzug warf Kasdan ihm einige Appetithappen hin, um ihn bei Laune zu halten, vor allem die Information, dass der Schriftzug an der Decke ein Zitat aus dem Miserere war. Er wiederholte nur das, was Volokine zu ihm gesagt hatte. Aber er ließ nichts über das Verschwinden des kleinen Tanguy Viesel verlauten und auch nichts über seinen Verdacht, dass Götz pädophil war. Er wollte diesen Ermittlungsansatz nicht preisgeben – mochte er sich nun als faul erweisen oder nicht.
    »Und Götz?«, fragte er schließlich. »Die politische Fährte?«
    »Der Typ von der Botschaft ist noch nicht zurück. Ich habe mich an den argentinischen Verbindungsoffizier gewandt. Er weiß nichts über Chile. Offenbar hält er Chile für ein Land von Dummköpfen.«
    Kasdan dachte an die Wanzen. Einen kurzen Moment reizte es ihn, mit Vernoux darüber zu sprechen. Aber dann besann er sich anders.
    »Sind Sie seine Telefonrechnungen durchgegangen?«, fragte er ins Blaue hinein.
    »Bin gerade dabei. Bis jetzt nichts Auffälliges.«
    »Hat sich Götz in letzter Zeit nicht mit einem Rechtsanwalt in Verbindung gesetzt?«
    »Wieso sollte er?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Kasdan ausweichend. »Vielleicht fühlte er sich bedroht.«
    »Wir überprüfen alle Nummern. Aber uns ist nichts aufgefallen.«
    Vernoux sprach nicht über die Chorknaben von Saint-Jean-Baptiste. In der Hektik hatte der Polizist zweifellos nicht die Zeit gefunden, die Familien vorzuladen. Daher wusste er auch nicht, dass ihm der Armenier zum zweiten Mal zuvorgekommen war. Mit einem Kollegen aus dem Jugendschutzdezernat.
    Kasdan legte auf, sah auf die Uhr: eins. Die Müdigkeit würde nicht von selbst kommen. Er ging in die Küche und warf zwei Xanax ein – Mückenstiche in die Haut eines Büffels. Dann setzte er sich erneut vor seinen Computer.
    Google. Kinder im Krieg. Sein Entsetzen wuchs, als er von den individuellen Verbrechen zu den Massenverbrechen überging. Kannibalismus unter Kindern in Liberia. Kinder, die Hände abhacken, in Sierra Leone. Monströse Kinder, geisteskrank, rauschgiftsüchtig, pervers, vollkommen abgestumpft, die sich wie eine Krebsgeschwulst über ganz Afrika ausbreiteten …
    Ein Klick, und das Grauen verlagerte sich nach Lateinamerika. Kolumbien, Bolivien, Peru. Gangs. Die »Baby-Killer« der Drogenmafia. In diesen Ländern wird die Einhaltung der meisten Verträge von drogensüchtigen Straßenkindern gewährleistet, die mit Hass und Gewalt aufgewachsen sind.
    Kasdan zwang sich zum Lesen, obwohl ihm übel war. Das Läuten seines Handys rettete ihn. Ein Blick auf die Uhr des Mac: 1.45 Uhr. Wieder dachte er, es wäre Volokine, erkannte dann jedoch die Stimme Puyferrats vom Erkennungsdienst.
    »Habe ich dich geweckt?«
    »Nein. Gibt es was Neues?«
    »Und ob. Ich bin dabei, meinen Bericht über den Tatort des Mordes an Naseer zu schreiben … Du verstehst, was ich sagen will …«
    »Ich verstehe.«
    »Ich habe weitere Schuhabdrücke gefunden. Mit bloßem Auge waren sie nicht sichtbar, aber ich habe Boden und Wände mit Luminol besprüht.«
    Luminol ist ein uraltes Produkt. Eine Substanz, die die kleinsten

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