Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
außerdem bezahle ich ihm seine Handyrechnung. Aber dieses ganze Zubehör, das man benötigt, wenn man am Computer spielt, das ist schon ganz schön teuer. Die 600 Euro für seinen PC hat er sich ganz tapfer über mehrere Jahre zusammengespart. Aber diese Erfahrung hat ihm wohl gereicht, das dauerte ihm dann doch zu lange. Deshalb hat er angefangen, in der Nachbarschaft seiner Pflegeeltern und bei einem Seniorentreff im Ort Hilfe beim Umgang mit PC und Internet anzubieten. So als Nebenjob.
Dadurch konnte er seiner Pflegemutter kürzlich ein gebrauchtes, internetfähiges Handy für 80 Euro abkaufen. „Neu hätte das 500 Euro gekostet“, hat er mir ganz stolz gesagt.
Jetzt spart er auf ein neues Notebook und beschäftigt sich intensiv mit der Qualität und den Preisen. Ich bin froh, dass er mit Geld offenbar umgehen kann. Außerdem verdient sich Phillip noch ein paar Cents dazu, indem er Kommentare zu Computerspielen ins Netz stellt. Ich habe keine Ahnung, was die jungen Menschen daran finden, aber offenbar gibt es für kommentierte Spiele einen großen Markt im Internet, das sagt zumindest Phillip.
Was ich gut daran finde, ist, dass er ein Spiel spielt und dabei über Gott und die Welt spricht, nicht nur über das Spielen. Wen auch immer das interessiert und wer auch immer dafür bezahlt, man bekommt laut Phillip in jedem Fall 0,04 Cent pro Zuschauer. Phillip schwärmt immer von den Profis, die 150.000 und mehr Zuschauer haben. Die verdienen dann natürlich richtig Geld.
Phillip verdient nur ein paar Kröten, aber er quatscht sich dabei offenbar die Seele sauber. Man spricht dabei wohl über alles, was einem so in den Kopf kommt. Kürzlich hat er sich bei einem Spiel darüber aufgeregt, dass er nicht Schulsprecher geworden war. Er ist schon Klassensprecher, aber er wollte auch unbedingt Schulsprecher werden. Doch dann wurde der andere Klassensprecher aus seiner Klasse – an der Gesamtschule gibt es ja immer zwei – zum Schulsprecher gewählt.
Offenbar hatte der abtretende Schulsprecher in seiner Abschiedsrede den anderen ausdrücklich gelobt. Phillip meinte, dass er bis dahin mehr Sympathisanten hatte, aber durch diese Empfehlung hätten dann doch viele den anderen gewählt. Phillip war wirklich enttäuscht und traurig.
Er wollte so vieles ändern an seiner Schule, die Schüler mobilisieren, damit die ihren Lehrern einen guten Unterricht abfordern. Einen, der Spaß macht und der ihnen etwas bringt. Er hält seine Schule nämlich für die „schlimmste Schule Potsdams“. Das sagt er immer.
Kürzlich ärgerte er sich über eine Drei in Mathe. Mensch, für mich war das früher der Hammer, wenn ich ein Befriedigend schaffte, und er regt sich auf. „Mama, niemand hat eine bessere Zensur als eine Drei bekommen. Keiner. Entweder die Arbeit war zu schwer, oder der Lehrer hat uns auf dem Kieker“, sagte er.
Da er nun nicht Schulsprecher wurde, hat er sich kurzerhand selbstständig bei einem Oberstufenzentrum beworben, so etwas gibt es nur in Brandenburg und Berlin. Das sind Ausbildungseinrichtungen, an denen man Berufsfelder lernen, aber auch das Abitur machen kann. Als Phillip jetzt auf Sprachreise in Wales war, kam die Bestätigung, dass er angenommen wurde. Mann, hat der sich gefreut, als ich ihm das sagte.
Dann erzählte er mir, dass er plane, bis zu seinem 20. Lebensjahr bei den Peters zu bleiben. Und ich schimpfte mit ihm: „Das hättest du wohl gern. Dem Staat auf der Tasche liegen und keinen Finger rühren müssen!“ Aber er sagte: „Mama, andere Eltern wären froh, wenn ihre Kinder so eine Ausbildung machen. Aber dann kann ich nicht nebenbei noch arbeiten.“ Wo er recht hat, hat er recht. Er kann mich in solchen Dingen auch überzeugen.
Um ihn nicht wieder aus der Schule zu reißen, hatte ich mich, als ich 2010 das Sorgerecht wieder zurückbekam, gar nicht erst darum bemüht, ihn wieder zu mir zu holen.
Denn inzwischen denke ich, dass es gut ist, so wie es ist.
Die Peters können ihm einfach Dinge bieten, die ich ihm nicht bieten kann. Und sei es nur, dass er lernt, sich um andere zu kümmern. Denn wenn es um die kleineren Pflegegeschwister geht, dann muss Phillip auch mit anpacken.
Er ist ein ganz toller Junge. Auch wenn er seine Macken hat, die hat ja jeder. Ich muss trotzdem zugeben, dass es mich ganz schön nervt, dass ich ihn zum Beispiel so gut wie nie aus der Wohnung locken kann, wenn er bei mir ist.
Wenn ich überhaupt mal fernsehe, bleibe ich eigentlich fast immer nur
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