Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
verstand und mich besser ausdrücken konnte. Ich und nicht reden können? Das geht gar nicht!
Nach der schönen Zeit in L. A. kam ich aber nun in das graue, betriebsame New York, wo mir die Leute alle furchtbar angespannt und hektisch vorkamen. Das hat mich alles nur noch genervt, sodass ich einfach drei Tage zu früh abgereist bin. Ich weiß nicht mehr genau, wie das war, aber ich hatte mein Ticket und bin damit zum Flughafen und einfach nur weg, zurück nach Hause. Ich war auch noch nie zuvor so lange weggewesen.
Es war gegen fünf Uhr morgens, als ich wieder in Hamburg landete. Klaus war noch geblieben, und ich hatte Probleme mit meinem riesigen Koffer. Damals war ich ja eine halbe Portion von 53 Kilo, und ich hatte so viel Krempel mit angeschleppt, solch unsinniges Zeugs wie einen Totenschädel, der sich mit Licht auflädt und leuchtet, wenn es dunkel ist, dass ich es damit gerade so zum Taxi schaffte. Das waren Zeiten, als die Koffer noch keine Rollen hatten.
Zu Hause angekommen, weckte ich sofort Alexander auf. „Wach auf, ich bin wieder da und habe den Koffer voll mit Sachen.“ Und er, er sprang sofort auf, küsste mich und forderte wie ein kleiner Junge: „Oh ja, komm, mach auf. Was hast du da? Zeig, was hast du mitgebracht?“
Diese Art habe ich an meinen späteren Freunden total vermisst, dieses Unbedarfte, Unangestrengte. Die Lust auf Leben und Entdecken.
Wir waren das Jahr darauf auch zusammen in Amerika. Das war kein Urlaub, ich habe noch nie im Leben Urlaub gemacht, ich hasse das Wort. Du musst doch irgendwas tun, irgendeinen Grund musst du haben, und den hatten wir auch: nämlich die Mucke. Durch das Zusammenleben mit all den Musikern war ich auf die Idee gekommen, mich auch mal als Solosängerin zu probieren.
Im Stil der Neuen Deutschen Welle hatte ich unter dem Künstlernamen Christiana eine Platte aufgenommen und außerdem mit Alex die Band Sentimentale Jugend gegründet; wir sind unter anderem beim Festival „Geniale Dellitanten“ im September 1981 in Berlin aufgetreten.
In der Berliner In-Kneipe Risiko hatten wir damals Rick und seine Freundin kennengelernt, sie war die Tochter von spanischen Einwanderern, er Norweger. Sie lebten in Pasadena, dem kleinen Vorort von L. A., der wie für mich gemacht ist. Kleine Fertighäuschen mit Vorgärten, viele Bäume und Palmen, Gebirge und Sonne. Da gehöre ich hin. Wenn man mich fragt, wo ich mich am wohlsten fühlte, antworte ich: in Pasadena.
Dort, in Pasadena, nahmen wir zusammen Musik auf: die Songs „Wunderbar / Der Tod holt mich ein“ und „Gesundheit“.
Aber, ehrlich gesagt, wirklich ernst war es mir mit der Musik ebenso wenig wie mit der Schauspielerei. Natürlich hat das Spaß gemacht, und natürlich war ich stolz, aber ich wusste, dass ich weder eine tolle Sängerin noch eine geniale Schauspielerin war. Trotzdem war das eine große Zeit für Alexander und mich – auch deshalb, weil ich mein Jugendidol David Bowie kennenlernte.
Eichingers Filmproduktion hatte mich angerufen, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ war Ende 1981 fertig, und Bowie und ich sollten den Film nun ansehen und abnehmen – dort, wo mein Star jetzt wohnte, in Lausanne! Er hat einen noblen Wohnsitz in der französischen Schweiz, ich war so aufgeregt, wie noch nie in meinem Leben und musste meine Freundin Franziska mitnehmen. Und ein paar Gramm Koks. Wir flogen bis Genf, fuhren dann weiter mit der Bahn um den Genfer See bis Lausanne, wo wir von einem Chauffeur in einem schwarzen Geländewagen am Bahnhof abgeholt wurden.
Mir ging ganz schön die Muffe, ich musste mir mehrmals die Nase pudern.
Bowie besaß ein kleines Chalet. Das Chateau du Signal ist ein sympathisch unprätentiöses Gebäude aus Backstein, es gibt nur ein Haupthaus und eine Garage, in der nicht mehr als zwei Wagen Platz finden. Es gibt viel Grün im Innenhof, dabei handelt es sich um ein bepflanztes Dach. Fensterpyramiden im Rasen lassen erkennen, dass das Gebäude nur die Spitze des Eisbergs ist und es unterirdisch noch einen Wohntrakt geben muss. Sichtschutz ist wichtig, wenn man ein Star von Bowies Format ist, rings um das Grundstück sorgten sehr viele Bäume dafür, dass man das Chateau ausschließlich aus der Luft sehen konnte.
Die Bilder der Villa kenne ich aber nur aus einer Zeitschrift, in Lausanne wohnte ich in einem Hotel.
Als der schwarze Geländewagen vor der Lobby vorfuhr, habe ich mich nicht hereingetraut, denn ich wusste: Da drin sitzt er!
Meine Hände wurden feucht und
Weitere Kostenlose Bücher